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Berner Messeplatz wächst – trotz allem

Das Messebusiness steht vier Jahre nach Pandemiebeginn noch etwas wacklig da. Bern will sich trotzdem als fester Kongressstandort etablieren.

| Léonie Hagen | Wirtschaft
Tom Winter (rechts) während der Gründung des Congress Hubs. Foto: zvg

Wenn Tom Winter, Geschäftsführer der Bernexpo-Gruppe, über die «Swiss Cyber Security Days» spricht, ist ihm der Stolz anzuhören. Kommende Woche findet die internationale Sicherheitstagung zum ersten Mal auf dem Expo-Gelände in Bern statt. In der Woche darauf geht es gleich mit dem «motofestival» weiter, zu dem Zehntausende Zweirad-Fans jährlich pilgern. Lange fand das Motorradtreffen in Zürich statt; erst vor zwei Jahren wurde es nach Bern verlegt. Ein grosser Fang für Winter: «In dieser Grössenordnung gibt es in der Schweiz keine zwanzig Messen», sagt er. Umso grösser die Freude, dass man eine davon nach Bern holen konnte.


Fach- und Publikumsmessen, wie sie in den kommenden Wochen stattfinden, sind für Bern besonders wichtig. Sie gehören zum Geschäftstourismus – und der macht in Bern die Hälfte bis zwei Drittel der jährlichen Übernachtungen aus. Entsprechend fordern Politik und Verbände schon lange, dass sich die Stadt als Kongressstandort besser etablieren soll. In ihrem Positionspapier für 2022 bis 2026 fordern die Stadtberner Wirtschaftsverbände explizit ein «Bekenntnis zum Messestandort», der eine «internationale Ausstrahlung» schaffen soll. Von einem Ausbau verspricht man sich mehr Tourismus. Und damit mehr Wertschöpfung für die ganze Region.

Messeplatz Bern soll trotz schrumpfendem Markt wachsen

Die «CyberSecurity Days» und das «motofestival» sind für Tom Winter erste Vorboten, dass man dafür auf gutem Weg sei. Zwei zusätzliche Messen in dieser Relevanz – von einem solchen Wachstum könnten andere Standorte in der Schweiz nur träumen, so Winter.


Tatsächlich ist das Messebusiness mit der Pandemie etwas ins Straucheln gekommen. Auch wenn sich einige Vernetzungsanlässe partout nicht digitalisieren lassen: Vieles ist digital einfacher. Entsprechend durchmischt ist die Bilanz der Schweizer Messeplätze. Einige Messen wie die BEA schreiben zwar wieder Rekordzahlen. Andere weniger. Die Uhrenmesse in Basel entfällt komplett; die «swissbau» ist ebenfalls in Basel von 100 000 Besuchern auf knapp die Hälfte geschrumpft. Die Ferienmessen in Bern und Zürich sind zwar wieder angelaufen, aber mit rund 20 000 Besuchern weniger als noch vor Pandemiebeginn. Und auch das «motofestival» ist mit dem Wechsel nach Bern von 60 000 Besuchern auf rund 40 000 geschrumpft. Der Markt erhole sich zwar, sagt Monika Bandi, Co-Leiterin des Tourismusinstituts der Universität Bern. Aber eben nur langsam, und er werde kleiner: «Die Unternehmen entscheiden viel selektiver, ob und wie sehr sie an Ausstellungen teilnehmen.»


Bern habe zwar durchaus Standortvorteile, so Bandi. Als politisches und verwalterisches Landeszentrum sei die Stadt ein Knotenpunkt für Verbände und Netzwerke. Zudem ist sie aus den grossen Zentren gut erreichbar. So, dass Teilnehmende abends auch wieder beizeiten heimkehren können. Entsprechend habe Bern bisher vor allem bei Sitzungen punkten können – dem Bereich, der nun am stärksten digitalisiert wird.

Regionale Wertschöpfung auch mit kleineren Messen?


Damit der Standort Bern trotz dieses Rückgangs wirklich wachsen könne, müsse man sich dem Markt anpassen, so Bandi. Weil gerade Büroarbeit nun auch in die Berge oder eine zweiwöchige Retraite verlegt werden könne, steigen die Ansprüche an das Rahmenprogramm während eines geschäftlichen Aufenthalts. Es brauche deshalb umso attraktivere, kombinierte Angebote innerhalb derselben Destination. Vor allem solche, die Übernachtungen beinhalten. Denn dort findet der Konsum statt – wo das Publikum das Gelände verlässt, isst, schläft oder die Stadt besucht. Hier wird die gute Erreichbarkeit der Stadt Bern auch ein Stück weit zum Nachteil: Es ist attraktiver, abends heimzukehren, als in der Stadt zu bleiben. Damit fällt die Wertschöpfung weniger hoch aus als mit grossen Kongressen.


Gleichzeitig fehlten für grosse Kongresse und Veranstaltungen lange ein paar hundert Hotelbetten, insbesondere in grossen Hotels. Nun soll sich das ändern: In den letzten beiden Jahren sind neue Hotels dazugekommen. Im vergangenen Januar sahen die Tourismusorganisation Bernwelcome, Bern-expo und der Kursaal Bern deshalb den Zeitpunkt, um eine eigene Interessensgemeinschaft für den Kongressstandort Bern zu gründen: den Congress Hub Bern. Die Stadt sollte bis 2025 wieder «auf der europäischen Kongresslandkarte etabliert» sein und auch internationale Veranstaltungen für sich gewinnen können.

«Nationale Ausstrahlung»

Heute, ein Jahr später, geben sich die Verantwortlichen optimistisch – wenn auch etwas bescheidener. Die «ganz grossen Kisten» suche man nicht, sagt Bernexpo-Geschäftsführer Tom Winter. Man wolle nicht ins Premiumsegment abrutschen und damit Klumpenrisiken anhäufen. «Wir sind die Gewerbler, die Landwirte, die KMU unter den Messeplätzen», so Winter. Auch die neue Festhalle sei mit ihrem Raum für 9000 Personen zwar für Konzerte eher gross angelegt. Für Ausstellungen sei der Raum aber tendenziell kompakt: «Da hätte beispielsweise ein kompakter Physiokongress perfekt Platz.»


Für Bernexpo scheint die Rechnung bisher aufzugehen. In zwei Monaten will Winter die Zahlen vom vergangenen Jahr präsentieren. Zum zweiten Mal in Folge werde man wieder Reingewinn schreiben, trotz der laufenden Baustelle. Ab 2025 werde es mehrere Dutzend neuer Anlässe geben. Das Wachstum steht in den Startlöchern.


Ähnlich zuversichtlich zeigt sich der Bündnispartner Kursaal Bern. Im Rahmen des Hubs habe man eine gemeinsame Businessabteilung aufbauen und gemeinsame Angebote schaffen können. So habe man Anlässe, die flächenmässig im Kursaal keinen Platz fanden, an das Expo-Gelände verweisen können – mit Übernachtung im Swissôtel Kursaal Bern. Bis 2025 werde es zwar noch nicht ganz so weit sein mit den etablierten Formaten, heisst es vonseiten des Kursaals Bern . Doch man habe von Anfang an klargestellt, dass gerade grössere Projekte ein paar Jahre Vorlaufzeit benötigten. Bisher laufe also alles nach Plan.


Es sei immer klar gewesen, dass der internationale Aspekt weniger wichtig sei als die Förderung des Standorts an sich, sagt Giorgio Albisetti dazu. Er ist Präsident der Stadtberner Handelskammer, die 2021 mehr Einsatz für den Messestandort gefordert hatte. Eine Ausrichtung auf nationale Veranstaltungen sei mit den Vorteilen Berns sinnvoller; vor allem, wenn die Hotelkapazitäten genügend ausgebaut würden. Die brauche es nämlich auch dann noch: «Dann geht es vielleicht nicht um 3000 hochspezialisierte Fachärzte, die in Bern übernachten wollen – aber immer noch um 600 bis 800 Konzertgäste.» Auch diese würden noch Wertschöpfung generieren, wenn auch in einem geringeren Ausmass.


Auch Tourismusforscherin Monika Bandi begrüsst die ersten Entwicklungen rund um den Congress Hub. Es sei ein guter Anfang, dass man die «Cyber Security Days» und das «motofestival» nach Bern habe holen können. Doch das alleine werde noch nicht ausreichen, so Bandi: «Wer so sehr ausbauen will, braucht eine Vorwärtsstrategie.» Wenn Bern als Kongressstandort wirklich weiter wachsen wolle, so gebe es noch genug zu tun.




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