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«Das tönt verdammt kitschig. Aber das ist egal.»

Der ehemalige Englisch-Dozent an der Uni Bern Franz Andres Morrissey ist aus dem Alter raus, in dem er Dinos faszinierend fand. Sein Markenzeichen: Knallbunte Jeans.

| Anzeiger Region Bern | Gesellschaft
Franz Andres Morrissey. Foto: zvg
Franz Andres Morrissey. Foto: zvg

Wenn Sie ab jetzt als Tier leben müssten, welches würden Sie wählen?

Ein Faultier wäre eine interessante ­Option, aber ich bin nicht sicher, ob ­immer nur hängen, und dazu noch kopfüber, auf die Dauer nicht bei der Durchblutung des Hirns etwas belastend wäre.

Auf welche Berufsleute sind Sie neidisch?

Ich bewundere Menschen, die mit Holz arbeiten. Holz ist ein unglaubliches Material für so vieles, vom Zahnstocher über Musikinstrumente und Möbel bis hin zu Häusern oder Schiffen, von Kunst ganz zu schweigen. Und ­dabei ungeeignet für Digitales, was manchmal sehr attraktiv sein kann.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Darauf, dass unsere Grosskinder und auch ihre Eltern einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn haben und sich so kompromisslos für eine bessere und diverse Zukunft engagieren. Und «woke» ist alles andere als ein Schimpfwort, obwohl es Leute gibt, die einem das weismachen wollen.

Wie sieht Ihr perfektes Wochenende aus?

Mit guten Freund*innen bei Sonnenschein in unserem ländlichen Garten zu sitzen, mit ihnen was zu trinken, zu musizieren und zu singen. (Das tönt verdammt kitschig, ich weiss. Aber das ist mir völlig egal.)  

Welcher Leitspruch nervt Sie am meisten?

«Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum». Hier verbindet eine pseudo-elegante Formulierung Banalität mit Unmöglichkeit – für die meisten Menschen, so scheint mir. Zudem ist der Spruch fast unerträglich New-Age-ig, und ich habe dann immer diese Kitschbilder vor Augen mit springenden Delfinen, Sonnenauf- oder -untergängen, Einhörnern und/oder Squaws, die aussehen wie europäische Models.

Welches ist Ihr Lieblingsdino­saurier?

Aus dem Alter, in dem Dinos endlos faszinierend sind, bin ich raus, allen gegenteiligen Anzeichen zum Trotz.  

Was mögen Sie an Bern?

Dass es mich als zugelaufenen Ostschweizer auch nach über 35 Jahren immer und immer noch Neues entdecken und finden lässt. Und die Kleintheater-Szene, insbesondere Marta, ONO und Mahog! 

Was nicht?

Dass leider ein Ort wie die Heiliggeistkirche so dringend notwendig ist für Menschen, die durch das soziale Netz gefallen sind. 

Welche berühmte (lebende oder tote) Person würden Sie gern persönlich treffen?

Den irischen Dichter Seamus Heaney. Er war ein wunderbares Beispiel dafür, wie ein Mensch mit alltäglich einfachen Worten so viel Bewegendes und Schönes sagen kann.  

Welche berühmte Person ­würden Sie gerne küssen?

Es gibt da so einen Gedanken: Don’t meet your idols. Seine Idole zu treffen, ist nur zu oft eine Enttäuschung. Dasselbe dürfte auch aufs Küssen zutreffen. Aber wenn ich unbedingt jemanden erwähnen müsste, dann Ruth-Gaby Vermot, die Gründerin der feministischen «FriedensFrauen weltweit/PeaceWomen Across the Globe».

Bei welcher Person Ihres nicht-präferierten Geschlechts würden Sie eine Ausnahme machen?

Bei Freunden, die mir viel bedeuten, ­jederzeit.

Wer war Ihre erste Liebe? Erzählen Sie!

Das war eine amerikanische Austauschschülerin, bildhübsch, kreativ, hochmusikalisch, in jeder Beziehung «out of my league». Sie war hier, um Deutsch zu lernen. Aber ich lernte unheimlich viel von ihr, Englisch, englische und amerikanische Literatur, unendlich viele, meist amerikanische Lieder. Im Gegenzug lernte sie von mir irische und schottische Songs und Tunes. Sie wurde später professionelle Fiddle-Spielerin in den USA, und ich, dank ihr, zuerst Englischlehrer und dann Dozent für Englische Sprachen hier in Bern. 

Wann haben Sie zum letzten Mal geweint? 

Als ich an der Abdankung eines lieben Freundes seinen Lieblingssong Mr Tambourine Man spielte.

Erzählen Sie uns einen Witz.

Geht leider nicht auf Deutsch: Two fish in a tank. Says one to the other, «Do you know how to drive this thing?» 

Wofür würden Sie viel Geld ausgeben, wenn Sie es hätten?

Dafür, dass die Leute auf der Gasse ein Dach über dem Kopf und drei Mahlzeiten pro Tag bekämen. Finnland macht das übrigens mit Erfolg vor!

Welches ist Ihre liebste Kleidermarke? 

Keine Ahnung. Kommt auch nicht drauf an. Meine geliebte Frau Caroline färbt meine weissen Jeans in den knalligsten Tönen. Das war immer ein wenig mein Markenzeichen. 

Welches Alter passt am besten zu Ihrer Persönlichkeit? 

Irgendwie hat für mich jedes Alter bisher und auch in absehbarer Zukunft sehr gut gepasst. Zu jeder Zeit war etwas los, was mich interessiert und getrieben hat. Was mir am jetzigen Pensioniertendasein am meisten gefällt, ist, dass ich mich jetzt voll dem Musikmachen widmen und mit meinen Taradiddle-Freunden am Harmoniegesang feilen kann. Die Zeit dafür, im Unterschied zu meinem damaligen, sehr engagierten Leben an der Uni, muss ich mir nun nicht mehr klauen.

In welchem Punkt möchten Sie sich selbst gerne optimieren? 

Ich wäre gern fitter.

Warum tun Sie es nicht?

Weil ich eben ein sehr bequemer – also, ehrlicher, ein fauler – Mensch bin.

Über was für Eigenschaften muss ein Mensch verfügen, damit Sie mit ihm eng befreundet sein wollen?

So ein Mensch müsste Humor und einen kompromisslosen Sinn für Fairness und Gerechtigkeit haben, kochen und das Resultat mit lieben Menschen geniessen können. 

Haben Sie gerade sich selbst beschrieben?

Schon als Kind wurde mir eingeimpft, dass Eigenlob stinkt. 

Was finden Sie an sich selbst schön?

Eben, Eigenlob, nicht wahr. Aber ganz im Geheimen finde ich schön, dass mich Neugier und die Lust, Neues zu erproben, immer noch antreiben. 

Reden Sie mit Tieren? Auch wenn ein anderer Mensch zuhört?

Ja. Luki, unser Hund, reagiert meistens sehr nett darauf, wenn er auch selber nicht sehr gesprächig ist. Und da sich heute niemand mehr unbehaglich fühlt, wenn Menschen auf der Strasse laut vor sich hin reden – Earbuds und Mobiles – fällt mit Tieren reden niemandem auf. 

In welchen Situationen ist Ihnen so richtig wohl?

Mit Menschen, die mir viel bedeuten, zusammenzusitzen, etwas mit Liebe Zubereitetes zu essen (ein bisschen Wein darf auch ausgeschenkt werden, ist aber nicht Bedingung) und dabei zusammen die Welt in Ordnung zu bringen (o. k., das Letzte ist nicht gerade wirksam, aber es ist gut für die Seele ...).  

Was tun Sie als Letztes, bevor Sie ins Bett gehen?

Ganz langweilig, was so zur Abendtoilette gehört. 

Wie viele verschiedene Sexualpartner sollte ein Mensch im Leben etwa haben?

Da gibts doch kein «sollte». 

Werden Sie diese Zahl voraussichtlich übertreffen oder unterschreiten?

Das ist für mich glücklicherweise keine wirkliche Frage.

Welches ist Ihr Lieblingsort auf der Welt?

Eine kleine, sehr einfache und relativ abgelegene Alphütte in den Urner Bergen. 

An welchen Ort und in welche Zeit würden Sie mit einer Zeitmaschine reisen, wenn Sie könnten?

Vielleicht nach Liverpool in den frühen Sechzigern. Nicht nur wegen der Musik, sondern auch wegen der Performance-Poetry-Szene. 

Wenn Sie die Gelegenheit hätten, auf den Mond zu fliegen – würden Sie es tun?

Ich sehe nicht ein, warum. 

Was wollen Sie mit Ihrer Kleidung ausdrücken?

Dass es eine Alternative zum zu vielen Grau in unserem Leben gibt.

Was würden Sie aus Ihrem Haus retten, wenn es brennen würde und Sie nur einmal laufen könnten?

Meine Liebe, Caroline. Logisch, oder?

Welcher Teil Ihres Haushaltes ist am wenigsten in Ordnung?

Mein Arbeitstisch. Aber ich finde, was ich suche – ausser wenn ich mal aufgeräumt habe.

Sind Sie ein guter Partner? 

Ich hoffe es und bemühe mich darum. 

Würden Sie lieber nur noch lieben oder nur noch geliebt werden? 

Schliesst das eine das andere aus?

Sehen Sie im technischen Fortschritt eher Grund zur Sorge oder zur Hoffnung?

Hoffnung schon, wenn sich damit gewisse dringende Probleme lösen und Krankheiten heilen lassen, Sorge deshalb, weil auf der ewigen Jagd nach Geld das Profitable dem Sinnvollen vorgezogen wird. Bei weitem nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch wünschenswert oder überhaupt notwendig.

Wovor haben Sie am meisten Angst?

Davor, dass jede, vor allem jede glückliche Ehe tragisch endet. 

Welches ist ihr liebstes Re­staurant?

Ohne Schleichwerbung zu machen, ein indisches Restaurant zwischen Unitobler und VonRoll.  

Welchen Ratschlag würden Sie Ihrem jüngeren Ich geben, wenn Sie in die Vergangenheit reisen könnten?

Geniess, was so abgeht; und übrigens, das Beste kommt noch.

Was soll das Ganze?

Eine sehr gute Frage, nur weiss ich leider keine clevere Antwort …

 

Franz Andres Morrissey

 

Franz Andres Morrissey war von 1988 bis 2021 an der Uni Bern tätig, zuerst als Projektleiter, ab 1990 als Lehrkraft am English Department. Da er die Einführungskurse unterrichtete, sind so ziemlich alle Englischstudis in seinen Lehrveranstaltungen gesessen. Seit seiner Pensionierung 2021 ist er mehrheitlich musikalisch tätig. Mit Mo (Gesang) und Stephen (Gitarre und Gesang) interpretiert er als «Taradiddle» Folksongs aus Schottland, Irland und England, Americana, aber auch folkig interpretierte 60er-Jahre-Songs und eigenes Material, bekannt
ist die Band für ihren «betörend schönen Harmoniegesang». 

Taradiddle nahmen 2022 das Album «Better Times» auf. Mit diesem sind sie zurzeit auf der «Oops, we forgot to launch our CD»-Tour in der Schweiz und im Mai in England unterwegs. Das Konzert zur eigentlichen CD-Taufe findet am 24. April in der Mahogany Hall Bern statt. 


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