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«Der Frage nach der Qualität des Kaders müssen wir uns stellen»

Christoph Spycher, VR-Delegierter Sport bei YB, über die fehlende Konstanz, den Substanzverlust im Team – und die Zukunft von Filip Ugrinic.

| Celina Schnyder | Sport
Christoph Spycher, VR-Delegierter Sport des BSC Young Boys. Foto: Nik Egger
Christoph Spycher, VR-Delegierter Sport des BSC Young Boys. Foto: Nik Egger

Herr Spycher wird YB diese Saison Meister?

Das hoffen wir natürlich. Die Ausgangslage ist vielversprechend, aber wir wissen, es ist noch nichts erreicht. Jetzt kommen die letzten fünf Spiele, da müssen wir versuchen, an die jüngsten Leistungen anzuknüpfen. Wenn das gelingt, bin ich überzeugt, dass wir gute Chancen haben. 

Was wird entscheidend sein in dieser letzten Phase?

Gegen Ende Saison spielt der Energiehaushalt eine wichtige Rolle. Wir treffen auf die fünf stärksten Teams der Saison, da muss die Mannschaft stets am oberen Leistungsniveau performen. 

Aktuell sieht es gut aus. YB steht fünf Runden vor Schluss auf dem ersten Platz mit sechs Punkten Vorsprung auf den zweiten. Aber die Resultate waren in dieser Saison besser als die Leistungen. Einverstanden?

Die Leistungen der Mannschaft schwankten stärker als beispielsweise letzte Saison. In den letzten Spielen steigerte sich die Mannschaft. Die Spieler bringen wieder mehr Energie auf den Platz. Jetzt ist es wichtig, sehr konsequent und zielgerichtet zu agieren, damit wir in der Championship Group noch fünf sehr gute Spiele zeigen können, um ganz oben zu bleiben. 

Warum kam es zu diesen Schwankungen, warum hat es geharzt?

Da spielen verschiedene Faktoren mit rein. Zum einen hat uns die Champions League während der Vorrunde viel Energie geraubt. Die Mannschaft musste Höchstleistungen erbringen. Dazu kam im Winter auch der Afrika Cup, an dem fünf Spieler von uns teilnahmen. Dies führte schlussendlich auch zu mentaler Müdigkeit, weil gewisse Spieler keine Ferien beziehen konnten. Zum anderen hatten wir zu Beginn der Saison sowie am Anfang der Rückrunde grosses Verletzungspech. Kastriot Imeri, Filip Ugrinic und Loris Benito, die für uns sehr wichtige Spieler sind, fielen für längere Zeit aus und werden teilweise in dieser Saison auch nicht mehr zum Einsatz kommen. 

Mit der Entlassung von Raphael Wicky wurde signalisiert, dass man auch ihn mitverantwortlich machte für die schwankende Leistung der ersten Mannschaft. Stand jetzt: Hat sich die Trennung gelohnt?

Momentan sind wir mit der Entwicklung zufrieden, Joël Magnin hat eine gewisse Stabilität reingebracht. Die Leistungskurve zeigt wieder nach oben. Selbstverständlich hätte diese Kurve auch mit Raphael Wicky wieder nach oben zeigen können. Wir hatten uns in einer Sackgasse befunden und waren überzeugt, dass wir unbedingt einen neuen Impuls setzen mussten. 

Die Leistungen sind aber nach wie vor durchzogen. Ist nicht einfach der Kader nicht mehr so gut, wie er vor einem Jahr noch war?

Das ist eine Frage, der wir uns stellen müssen. Wir sind nach wie vor überzeugt, dass viele Spieler aus der Mannschaft gute Qualitäten mitbringen. Manchmal braucht ein Spieler einfach einen gewissen Moment, bis er sich daran gewöhnt hat, wie bei YB gearbeitet und gespielt wird. Manche Spieler kommen aus schwierigen persönlichen Situationen, da ist es normal, dass sie Zeit brauchen, um reinzukommen und ihre persönliche Bestleistung auf dem Platz abzurufen. Beispielsweise Filip Ugrinic, der letzte Saison noch Anlaufschwierigkeiten hatte. Er wurde in der Vorrunde dieser Saison zum Leistungsträger. Oder auch Joël Monteiro, der aktuell ein sehr wichtiger Spieler im Kader ist, hat seine Zeit gebraucht, um anzukommen. Da muss man manchmal etwas Geduld haben.  

Trotzdem: Im letzten Sommer und im Winter gingen zahlreiche unbestrittene Leistungsträger. Und von den Neuen vermochte keiner so richtig zu überzeugen. War YB in den Transferphase nicht einfach zu knausrig? 

Wir wollen Spieler zu hohen Preisen in die besten Ligen der Welt verkaufen. Wenn wir einen Spieler für fünf bis zehn Millionen Franken verkaufen, ist es klar, dass wir nicht dieselbe Summe für einen neuen Spieler ausgeben. Wir kaufen einen Spieler mit Potenzial, der noch nicht so weit ist, oder einen Spieler, der in einer heiklen Phase seiner Karriere steckt, mit dem man gemeinsam arbeitet, damit er wieder sein gesamtes Potenzial entfalten kann. Das ist der Weg von YB, seit ich 2016 Sportchef beim Verein geworden bin. Dieser Linie bleiben wir treu.  

Das heisst, YB wird auch im Sommer nicht massiv aufrüsten, um den Abstand zur Konkurrenz wieder zu vergrössern? 

Wir haben nicht vor, massiv aufzurüsten. Wie jedes Jahr kommt es zu Veränderungen. Ein paar von den besten Spielern werden uns verlassen, da versucht man, wieder gute Spieler mit grossem Potenzial zu holen. Vielleicht wird auch der eine oder andere Spieler dazukommen, der die Mannschaft sofort besser macht, wie es beispielsweise bei Steve von Bergen und Fabian Lustenberger der Fall war. Es ist aber nicht einfach, erfahrene Schweizer Spieler aus dem Ausland zurück in die Schweiz zu holen. Zentral ist, dass bei uns alle Spieler hungrig sind.  

In welchen Mannschaftsteilen sehen Sie – neben der Innenverteidigung – Bedarf an Verstärkung?

Es kommt darauf an, welche Spieler uns im Sommer verlassen werden. Mit Monteiro und Meschack Elia spielen sich zwei Offensivspieler stark in den Vordergrund. Wir versuchen uns auf alle Eventualitäten so gut wie möglich vorzubereiten. 

Als schwer ersetzbar hat sich Mittelfeldspieler Filip Ugrinic erwiesen. Bleibt er noch eine Saison? 

Unser Wunsch ist es, dass er noch bei uns bleibt, damit er eine ganze Saison auf seinem Niveau performen kann. Er ist fast die ganze Rückrunde ausgefallen und hat zuvor sehr gut gespielt. Wir sind überzeugt, dass er ein Spieler sein wird, der sich in einer Topliga durchsetzen kann.

Was passiert mit den beiden Leihspielern Ebrima Colley und Joel Mvuka? 

Beide Spieler haben das Potenzial und die Qualität, der Mannschaft helfen zu können. Ob sie bleiben oder nicht, wird auch von den Abgängen anderer Spieler abhängen. 

Gibt es einen Spielertyp, an dem es im Kader noch mangelt?

Es gibt immer Verbesserungsmöglichkeiten in allen Bereichen. Leadership, Schnelligkeit, Zweikampfstärke oder technische Qualitäten kann man nie genug haben in einer Mannschaft. Am Schluss muss man schauen wer geht, wie die Verletzten zurückkommen und wie man das vorhandene Potenzial am besten entfalten kann. Beispielsweise Leadership ist in dieser Mannschaft vorhanden, trotzdem müssen einzelne Spieler noch lernen, mehr Verantwortung zu übernehmen. 

Was sind die Pläne auf der Goalieposition?

Man darf nicht davon ausgehen, dass David von Ballmoos, Anthony Racioppi und Marvin Keller bei YB spielen werden. Das würde keinen Sinn ergeben. Wir sind mit allen involvierten Parteien im Gespräch und kommunizieren die genaue Konstellation, wenn es so weit ist.  

Gibt es Spieler aus der Juniorenabteilung, die in die erste Mannschaft hinaufgezogen werden können?

Wir haben talentierte Spieler im Nachwuchs, und für die versuchen wir die Tür zur ersten Mannschaft zu öffnen. Welche Nachwuchsspieler nächste Saison effektiv in der ersten Mannschaft spielen, werden wir sehen.  

YB investiert 40 Millionen in einen neuen Campus für die Juniorenabteilung und die YB-Frauen. Soll sich dieses Investment auch finanziell lohnen, oder geht es darum, Goodwill zu schaffen?

Es geht nicht darum, Goodwill zu schaffen. Unser grösstes Problem in der Zukunft wird sein, dass die infrastrukturellen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Aktuell sind weder die Bedingungen für die erste Mannschaft der Frauen und der Herren noch für die Nachwuchsabteilung auf dem Level, auf dem sie sein müssten. Allein schon im nationalen Vergleich ist unsere Infra­struktur komplett ungenügend. Wenn wir uns dort nicht massiv verbessern können, dann werden wir mittelfristig ein Problem haben und nicht mehr konkurrenzfähig sein.  

Wieso taugt der neue Campus nicht als Trainingsgelände fürs Herrenteam?

Es mangelt an Trainingsplätzen im ganzen Grossraum Bern. Die YB-Nachwuchsmannschaften sowie die YB-Frauen müssen sich Trainingsplätze teilen. Nachwuchsförderung im Spitzenbereich ist mit einer solchen Infrastruktur nicht zeitgerecht. 100 bis 1000 junge Mädchen und Buben, die gerne Fussball spielen möchten, werden in den Vereinen nicht aufgenommen, da diese keine Trainingsplätze finden. Schlussendlich geht es darum, eine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, damit der Zugang zum Fussball ermöglicht wird. Klar haben wir das Interesse, junge Bernerinnen und Berner in die ersten Mannschaften zu bringen, aber am Schluss ist das ein kleiner Anteil. Sport ist eine Lebensschule. Das ist eine soziale Verantwortung, die wir wahrnehmen möchten.


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