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Von Olympia zur Team-Mamá

Die Kubanerin Aniara Muñoz spielt Volleyball seit sie neun Jahre alt ist. Dies führte sie vom Olympiasieg bis zur 2. Liga beim VBC Gerlafingen.

| Linda Pfanner | Sport
Aniara Muñoz
Aniara Muñoz im Spiel für den VBC Gerlafingen. Foto: zvg

Aniara Muñoz hat einen strengen Blick und eine tiefe Stimme. Wenn die 1,82 m grosse Kubanerin über das Volleyballspielen spricht, wird ihre Gestik ausfallender und ihr Lachen lauter. Muñoz gewann 2004 für Kuba Olympiabronze im Volleyball. Das liegt nun schon 20 Jahre zurück. Die Leidenschaft für den Sport blieb. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Bern. 

Mit neun Jahren spielte Muñoz das erste Mal Volleyball. Ihr Vater Antonio Muñoz war ein erfolgreicher Baseballspieler und so ein bekanntes Gesicht in Kuba. Aniara Muñoz sah dadurch am Beispiel ihres Vaters früh, wie eine sportliche Karriere aussehen kann. Schon mit zwölf Jahren zog Muñoz nach Havanna – drei Stunden von ihrer Heimatstadt Cienfuegos entfernt –, um in einem Sportzentrum zur Nationalspielerin geformt zu werden. Danach bestand der Alltag ausschliesslich aus Volleyballtraining und Schule. Kuba zählte zu den leistungsstärksten Nationen im Volleyball. Mit dem Nationalteam bereiste Muñoz die ganze Welt und nahm an rund 400 Länderspielen teil.

Der Weg in die Schweiz

Volley Köniz holte Muñoz 2008 in die Schweiz, um das Team der National­liga A zu verstärken. Fünf Jahre lang spielte Muñoz hauptberuflich mit Volley Köniz. Als sich die finanzielle Situation des Vereins verschlechterte und Muñoz’ Lohn um 30 Prozent gekürzt werden sollte, schaute sie sich nach Alternativen um. Damals bekam sie ein Angebot aus Moskau, um dort ihre Volleykarriere weiterzuführen. «Irgendwo in Sibirien hätte ich sicher einen guten Lohn bekommen, mein Fokus war jedoch nie das Geld», sagt Muñoz. 

Für ihren Mann blieb Muñoz in der Schweiz und stiess zum Volleyball-Verein Düdingen. Der kurze Weg zum Training sprach für Düdingen. Drei Jahre später kam ihr Sohn zur Welt, und Muñoz legte eine Volleypause ein. Nun stand ihr Sohn an erster Stelle. 

Während ihrer Pause bekam Muñoz einen Anruf. Die unbekannte Stimme fragte: «Wo spielst du, was machst du, wo lebst du?» Muñoz antwortete: «Ich bin jetzt Mamá!» Die Stimme gehörte Thomas Nyffenegger, Trainer des VBC Gerlafingen. Dieser überredete Muñoz, ein Training zu besuchen. Seither steht sie an den Wochenenden für Gerlafingen auf dem Feld. 

Genug trainiert 

Anders als die restlichen Spielerinnen nimmt Muñoz jedoch nicht an den Trainings, sondern nur an den Wettkämpfen am Wochenende teil. Nyffenegger ist zufrieden mit der Abmachung und sagt: «Aniara hat in ihrem Leben wahrscheinlich mehr trainiert als alle anderen Spielerinnen zusammen.» Die Entscheidung werde im Team respektiert. «Die Spielerinnen wissen, dass ich nicht mehr 20 Jahre alt bin. Als Teamälteste mit 44 Jahren habe ich nicht genug Zeit, um zweimal die Woche zu trainieren und zu den Matchs am Wochenende zu gehen», sagt Muñoz. 

Mutter ist sie geblieben, nicht nur für ihren Sohn, auch für das Team aus Gerlafingen. Vor den Wettkämpfen spricht der Trainer mit den Spielerinnen. Danach wendet sich jeweils Muñoz an das Team: «Jetzt spricht Mamá». Durch ihre jahrelange Erfahrung beruhigt Muñoz die Spielerinnen und erinnert sie daran, nicht nur an das Resultat zu denken. Im Volleyball wird nicht auf Zeit gespielt, sondern auf Punkte. «Als ich jung war, hatte ich vor dem Spiel auch Angst vor dem Resultat. Man muss nicht pressieren. Das Spiel ist erst bei 25 Punkten verloren», sagt Muñoz. 

Auch gute Spielerinnen könnten in der Schweiz kaum vom Volleyballspielen leben, da sie meistens daneben noch arbeiten müssten. Muñoz hat viele Wechsel unter den Spielerinnen erlebt. «Ich sehe talentierte junge Spielerinnen, die keine Möglichkeit haben, in der Schweiz Volleykarriere zu machen», sagt Muñoz. Im Fernsehen sehe man immer nur Eishockey, Tennis oder Fussball. Volleyball bekommt keine Aufmerksamkeit. Dadurch gingen laut Muñoz Talente verloren. 

Volley bis zum Tod

Muñoz kann sich vorstellen, in naher Zukunft als Hilfstrainerin zu arbeiten. Allein ein Team coachen möchte sie nicht. «Ich sage immer: Volleyball bis zum Tod. Volleyball kann für mich nicht nur ein Hobby sein. Ich bin immer mit ganzer Leidenschaft dabei», sagt Muñoz. 

Muñoz bleibt in der Schweiz: «Es ist klar: Mein Leben ist hier in der Schweiz, aber mein Herz ist immer in Kuba.» Jedes Jahr nimmt sich Muñoz vor, das sei ihre letzte Saison gewesen. Und doch spielt sie dann noch eine weitere mit. Wenn alles gut läuft, steigt Gerlafingen diese Saison in die 1. Liga auf. Wahrscheinlich mit Muñoz.


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