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Für eine strenge Vorprüfung der Volksinitiativen

Das Volk bestellte mit der 13. AHV-Rente eine neue Leistung, ohne dass die Finanzierung geklärt ist. Bei der Abstimmung über die Prämien-Entlastungs-Initiative drohe dasselbe, mahnt «Anzeiger»-Kolumnist Rudolf Joder. Er fordert, dass gerade bei milliardenteuren Volksbegehren die Finanzierung von Anfang an definiert werden müsse. 

| Rudolf Joder | Politik
Rudolf Joder. Foto: zvg
Rudolf Joder. Foto: zvg

Am 3. März haben Volk und Stände einer 13. AHV-Rente mit grossem Mehr zugestimmt. Dies bedeutet eine Erhöhung der Altersrente um 8,3 Prozent. Leider wurde die zentrale Frage der
Finanzierung durch den Initiativtext nicht beantwortet. Die Einführung der 13. AHV-Rente bis zum Jahr 2026 kostet rund 4,1 Milliarden Franken. Anschliessend wird der Aufwand schnell zunehmen, und ab 2030 ist mit einem grossen Defizit zu rechnen. 

Zur Deckung des Finanzbedarfs stehen drei Massnahmen zur Aus- wahl, nämlich höhere Lohnbeiträge, mehr Einnahmen aus der Mehrwertsteuer und das erneute Anheben des Rentenalters. Das Hickhack zwischen den in der Bundesversammlung vertretenen Parteien betreffend Finanzierung der 13. AHV-Rente ist bereits in vollem Gange. Die Meinungen gehen diametral auseinander, und eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Denkbar ist sogar, dass auch das Volk im Rahmen einer Referendumsab- stimmung Nein sagt zu einer neuen Finanzierung, worauf der politische Scherbenhaufen komplett wäre.

Das gleiche Spiel wiederholt sich am 9. Juni. An diesem Tag findet die Abstimmung statt über die Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)». Das Volksbegehren verlangt, dass die von den Versicherten zu bezahlende Krankenversicherungsprämie höchstens zehn Prozent des verfügbaren Einkommens betragen darf. Was unter dem «verfügbaren Einkommen» zu verstehen ist, kann dem Text der Initiative nicht entnommen werden. Ebenfalls nicht definiert wird der Begriff der «Krankenversicherungsprämie». Stillschweigen von Seiten der Initianten herrscht auch bezüglich der Finanzierung des Volksbegehrens. Weil für die Wörter «verfügbares Einkommen» und «Krankenversicherungsprämie» eine klare Bestimmung fehlt, sind Prognosen schwierig. Das Bundesamt für Gesundheit BAG rechnet bei Annahme der Initiative per sofort mit jährlichen Mehrausgaben zwischen 3,5 und 5 Milliarden Franken und ab 2030 mit solchen zwischen 5,8 und 9 Milliarden Franken.

Es ist offensichtlich, dass die dargestellte Situation nicht zu befriedigen vermag. Hauptursache ist die ungenügende Vorprüfung der Initiativtexte nach geltendem Recht. Gemäss dem Bundesgesetz über die politischen Rechte muss die Bundeskanzlei einzig prüfen, ob der Titel der Initiative irreführend ist oder Werbung enthält. Zudem ist der Initiativtext betreffend sprachlicher Übereinstimmung zu kontrollieren.

Es kann nicht sein, dass eine 13. AHV-Rente eingeführt wird mit einer völlig ungewissen Finanzierung in Milliardenhöhe. Gleiches gilt für die Krankenkassenprämien-Entlastungs-Initiative. Bei beiden Volksbegehren fehlt das Preisschild. Dieses ist ein wesentliches Element für die Meinungsbildung. Zum Einkaufen gehört das Bezahlen. Dies gilt auch in der Politik. Es muss verhindert werden, dass die Volksinitiative zum populistischen Werbe-Gag degradiert und das Volksrecht der Initiative ausgehöhlt wird. Die Rechtsgrundlagen sind so anzupassen, dass die Finanzierung klar benennt werden muss, wenn der Kerngehalt des Volksbegehrens die Ausschüttung von Milliardenbeträgen ist!

Zur Person:

Rudolf Joder ist Dr. iur. Fürsprecher und präsidiert den Schweizerischen Verband für Seniorenfragen. Er war Nationalrat, Grossrat, Präsident der SVP Kanton Bern und Gemeindepräsident von Belp.


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