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Sommerloch im Reisebüro
Die bernischen Reisebüros Loosli und Aaretal trotzten bereits dem Internet und der Pandemie. Jetzt kommt auch noch die Teuerung dazu, die das ohnehin rückgängige Sommergeschäft weiter erschwert. Die Hoffnungen liegen in der Politik – und dem Herbst.

«Im Sommer bleibe ich zu Hause, dann ist es hier ohnehin warm genug.» Dieser Satz war in den letzten Jahren immer häufiger zu vernehmen. In diesem Jahr trifft er aber nicht wirklich zu. Seit Wochen dominieren Regenwetter und einigermassen kühle Temperaturen. Allerdings: Die Lust auf Badeferien im Ausland ist trotzdem nicht gestiegen. In der Reisebranche redet man bereits von einer Sommerflaute.
«Gerade der Juli läuft bisher sehr harzig», sagt auch René Loosli, Inhaber und Geschäftsführer des Berner Reisebüros Loosli Reisen. Er vermutet, dass in diesem Jahr neben dem langjährigen Trend, dass Badeferien vermehrt im Herbst gemacht werden, die gesunkene Kaufkraft dazukommt. «Mieten, Krankenkassen, alles ist teurer geworden, da bleibt für den Urlaub weniger Geld.»
Auch Andreas Gerber, der Geschäftsführer von Aaretal Reisen, spricht von einer «Sommerflaute». Er begründet dies nicht nur mit der veränderten klimatischen Situation in der Schweiz, sondern auch mit Gluthitze in beliebten Reisezielen in den letzten Sommern. «Ausserdem halten die gestiegenen Flugpreise vor allem Familien vom Reisen ab.» Das Gute an der aktuellen Situation für Konsumentinnen und Konsumenten: Derzeit befänden sich noch zahlreiche günstige Angebote auf dem Markt. «Sommerbadeferien sind preiswerter als jene im Herbst», so Gerber.
Reiseziel Schweiz
Martin Wittwer, Präsident des Schweizer Reiseverbandes (SRV), sieht es weniger dramatisch. «Der Nachholeffekt nach der Coronapandemie ist vorbei, es findet derzeit eine Stagnation auf hohem Niveau statt», sagt er. Allerdings räumt auch Wittwer ein, dass im Sommergeschäft «keine Bäume in den Himmel wachsen».
Betreffend Destinationen gibt es laut den Experten dieses Jahr keine Besonderheiten. Die Evergreens wie die Balearen, Griechenland und Italien sind nach wie vor hoch im Kurs. Auch Schlagzeilen betreffend gewachsener Tourismus-Skepsis bei Einheimischen können dem nichts anhaben. Laut Wittwer vom SRV handelt es sich ohnehin um Geschichten, die von den Medien heisser gekocht werden, als sie tatsächlich sind. «Texte über Mallorca bringen halt Klicks.»
Dass der Norden mit Skandinavien, Island und Grossbritannien an Beliebtheit gewonnen hat, ist kein neues Phänomen. Anhaltend ist auch der Trend, in der Schweiz Ferien zu machen. Laut einer Umfrage von Schweiz Tourismus von April wollen rund 40 Prozent der Reisewilligen im Sommer die Landesgrenzen nicht verlassen.
Bernische Reiseziele
Spannend ist hingegen eine Beobachtung von Wittwer, dass Bernerinnen und Berner im Vergleich zum schweizerischen Durchschnitt vermehrt Inseln berücksichtigen, die nicht zu den prominentesten Reisezielen gehören. «Ich denke an Sardinien, Korsika und Elba, die bei Bernerinnen und Bernern hoch im Kurs sind», so Wittwer.
Das bestätigt auch ein Blick auf den Flugplan des Flughafens in Belp. Von den elf angeflogenen Destinationen befinden sich zwei auf Sardinien und auch Korsika und Elba sind dabei. Gerber von Aaretal Reisen kann sie auswendig. Kein Wunder, hat sich Aaretal Reisen doch auf Reiseziele spezialisiert, die von Bern aus angeflogen werden können. Umso stärker wurde sein Büro vom Skywork-Konkurs 2018 getroffen, als zahlreiche Destinationen auf einen Schlag wegfielen. Dank klarem Profil und grosser Expertise sei man nun aber stabil, sagt Gerber.
Das grössere Thema für die Reisebranche ist aber die Konkurrenz durch Online-Portale, welche die individuelle Buchung und Zusammenstellung einer Reise für Laien deutlich erleichtern. Die Auskunftspersonen betonen zwar, dass Reisebüros etwa dank der Sicherheitsgarantie und der Expertise noch immer gefragt seien und sich die Situation stabilisiert habe. Die Anfang Juni angemeldete Insolvenz des grossen Reiseanbieters FTI zeigt aber, dass die Branche nach wie vor mit Herausforderungen konfrontiert ist.
Branche fordert gleiche Spiesse
Für Loosli ist die Insolvenz von FTI ein Argument, das für Reisebüros spricht. «Wer eine Pauschalreise bei einem Reisebüro bucht, erhält sein Geld zurück oder eine gleichwertige Alternative, wenn ein Hotel Konkurs anmeldet.» Auch bei Problemen mit Flügen – etwa wenn der Anschlussflug verpasst werde – böten Reisebüros Unterstützung und Garantien. «Preislich scheinen die Angebote im Internet häufig attraktiv, wenn man aber das Kleingedruckte
genau liest, sieht es anders aus.»
Abhilfe erhofft sich die Branche von der Politik. Nicht in der Form von Subventionen, aber durch «gleich lange Spiesse», wie Wittwer vom SRV ausführt. So müssten derzeit Reisebüros und Reiseveranstalter die Kundengelder absichern. «Für Airlines und gewisse ausländische Reiseportale gilt das nicht, das bringt ihnen einen Wettbewerbsvorteil», sagt Wittwer.
Der Bund ist dabei, das entsprechende Gesetz über Pauschalreisen zu überarbeiten. Allerdings ist offen, in welche Richtung es geht. Die Arbeiten wurden im Frühjahr sistiert. Kürzlich hat zudem die Europäische Union Richtlinien erlassen, die den Konsumenten stark entgegenkommen. In der Branche befürchtet man, dass die Schweiz die neuen Richtlinien übernimmt – und lobbyiert für einen Schweizer Sonderweg.