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Gegenwind für Autobahnausbau

Am Donnerstag reicht ein Komitee das Referendum ein gegen den 5,3-Milliarden-Autobahnausbau, den das Parlament im letzten Herbst beschlossen hat. Mit Einsprachen wird ausserdem gegen das Teilprojekt Grauholz vorgegangen. Unter anderem durch die Gemeinden Bolligen, Zollikofen und Ittigen und die Stadt Bern, aber auch durch betroffene Landwirte.

| Anina Bundi | Politik
Die sechsspurige Autobahn im Grauholz. Foto: Nik Egger
Die sechsspurige Autobahn im Grauholz. Foto: Nik Egger

Die Unterschriften für das nationale Referendum gegen den Ausbau der Schweizer Autobahnen waren zackig beieinander. Am 10. Oktober, kurz nach dem Parlamentsbeschluss für den «Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen», fing das Komitee «Stopp Autobahn-Bauwahn» an mit Sammeln, knapp zwei Monate später hatten 72 000 Personen unterschrieben. Am Donnerstag werden die Unterschriften dem Bundesrat übergeben. Damit ist klar: Über den 5,3 Milliarden schweren Ausbau wird das Schweizer Stimmvolk entscheiden.

In der Region Bern speziell im Fokus ist der Autobahnabschnitt Grauholz zwischen Wankdorf und Schönbühl. Hier staut sich täglich der Pendlerverkehr. Dieser «Flaschenhals» soll von heute sechs auf acht Spuren ausgebaut werden. 253 Millionen Franken würde dieser Ausbau kosten. Gegen diesen Ausbau gibt es Widerstand auch jenseits des Referendums. Zu den Gegnern zählen nicht nur links-grüne Parteien und Verkehrsverbände, sondern auch Bauern und Gemeinden der Agglomeration.

Widerstand in der Region

Nebst grundsätzlichen Überlegungen zum Sinn des Autobahnausbaus in Zeiten des Klimawandels ist es der Landverschleiss, der bei den anrainenden Bauern und Gemeinden für Kritik sorgt. Etwa 13 Hektaren Kulturland würden verschwinden.


Noch vor dem Ja des Parlaments und der Unterschriftensammlung des Komitees gingen beim Bundesamt für Strassen (ASTRA) 65 Einsprachen ein gegen das Teilprojekt Grauholz. Darunter von der Stadt Bern und von den Gemeinden Zollikofen, Ittigen und Bolligen, die alle direkt betroffen wären vom Ausbau.
Bolligen habe die Einsprache aus zwei Gründen eingereicht, schaut ­Gemeindepräsident René Bergmann (Die Mitte) zurück. Einerseits wegen des Kulturlandverlusts aus landwirtschaftlicher Sicht. Hauptgrund war aber das Klima. Der Ausbau sei nicht mit dem Klimaschutz-Artikel des Kantons Bern vereinbar, schrieb die Gemeinde damals. Der Verfassungsartikel verlangt vom Kanton, bis 2050 klimaneutral zu sein.


Mittlerweile haben das ASTRA und weitere Bundesämter zu den Einsprachen Stellung genommen. Zum Klimaargument schreibt das ASTRA in einem dieser Schreiben, dieser Punkt sei abzuweisen. Man habe alle gemäss ­Bundesrecht vorgeschriebenen Untersuchungen gemacht. «Abklärungen zur Klimaneutralität eines Nationalstrassenprojekts sind bundesrechtlich jedoch nicht vorgesehen.» Der Gemeinderat Bolligen habe sich noch nicht mit den Stellungnahmen befasst, so Bergmann. Zurückziehen sei aber zurzeit noch kein Thema. «Wir erhalten die Einsprache aufrecht.»

«Grosszügig abgewedelt»

Die Stellungnahmen der Bundesämter schon studiert hat Einsprecher Christian Salzmann. Der Landwirt aus Hab­stetten, Gemeinde Bolligen, müsste für den Ausbau auf rund 300 Metern Länge einen Streifen von 12 Metern seines Landes hergeben. Er empfinde es als arrogant, dass das ASTRA nicht zur Einspracheverhandlung eingeladen, sondern nur Briefe verschickt habe, sagt er am Telefon. «Die Stellungnahme war zudem eher oberflächlich. Es wurde einfach alles grosszügig abgewedelt, ohne gross etwas zu be­gründen.»


Speziell beim Thema Strassenausbau ist, dass die betroffenen Landwirte mit ihrem Widerstand nicht einig sind den bürgerlichen Parteien, die viele von ihnen traditionell wählen. In einem früheren Interview hatte Salzmann dazu gesagt, er sei in vielem auf der Linie der SVP. «Aber hier lässt sie uns Bauern hängen.» Das sieht er immer noch so. «Das Argument für den Ausbau ist, es schade der Wirtschaft, wenn die Leute im Stau stehen. Aber mir kommt es so vor, als wüssten eigentlich alle, dass es nicht verhäbt.» Dies im Unterschied zu vor 30 Jahren, als die Grauholz-Autobahn von vier auf sechs Spuren verbreitert wurde. Auch da wurde mit der Wirtschaft argumentiert und man hoffte, das Stauproblem mit der Verbreiterung dauerhaft zu lösen. «Aber damals glaubten das die Befürworter wirklich. Heute glaubt das niemand mehr», ist Salzmann überzeugt.

Bauernverband für den Ausbau

Verschiedene Lager gibt es auch in den grossen Bauernverbänden. Als im Kanton Bern vor knapp einem Jahr die ­Verkehrssanierung Burgdorf-Oberburg und die Umfahrungsstrasse Aarwangen zur Abstimmung standen, beschloss der Berner Bauernverband nach intensiven internen Diskussionen die Ja-Parole zur ersten und Stimmfreigabe zur zweiten Vorlage. Im aktuellen Fall ist der Verband grundsätzlich für den Ausbau, sagt Präsident Jürg Iseli. «Wir sehen den Bedarf für den Ausbau, auch unsere Produkte werden auf der Strasse transportiert. Aber wir setzen uns dafür ein, dass möglichst wenig Land benötigt wird und dass wir das Projekt mitbegleiten können.»

Städtische Initiative


Nebst dem Referendum gibt es in Bern eine städtische Initiative des Vereins «Spurwechsel». Sie richtet sich in erster Linie gegen den Ausbau des Autobahnanschlusses Wankdorf, der kein Teil des «Ausbauschritts 2023», sondern ein unabhängiges Projekt ist. Die Initiative will die Stadt Bern aber verpflichten, sich gegen jegliche Ausbauten von Autobahnen rund um Bern einzusetzen. Sie wird Ende Monat eingereicht. (abu)


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