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«Lokale Gratiszeitungen müssten von einer Medienförderung auch profitieren»

Bundesrat Albert Rösti (SVP) über seine neue Rolle als Bundesrat, seine Pläne in der Energiepolitik - und die Frage, ob der „Anzeiger Region Bern“ mit einem Zustupf rechnen darf. 

| Fabian Christl | Wirtschaft
Albert Rösti
Ehemaliger SVP-Präsident Albert Rösti. Foto: Nik Egger

Herr Rösti, in einer Woche sind Bundesratswahlen. Nehmen Sie schon Gratulationen entgegen?

Nein, das darf man nie im Vorfeld. Man muss Wahlen stets ernst nehmen. Es wäre auch ein Zeichen der Respektlosigkeit dem Parlament gegenüber.

Aber eigentlich kann nichts passieren. Sie bringen Ihre Geschäfte durch, sind beliebt und gelten als einflussreich. Sie sind sowas wie der neue Star des Bundesrats.

Es ist schön, wenn Sie das so sehen. Aber es ist viel zu früh, um ein solches Fazit zu ziehen. Eine seriöse Bilanz kann man frühestens nach drei, vier Jahren vornehmen. Ausserdem lebe ich nach dem Motto, dass jeder Tag wieder bei null beginnt. Gerade in einem Amt, in dem man so exponiert ist, kann immer etwas passieren. Da darf man definitiv nicht abheben.

Im Bundesrat gelten Sie als Überflieger, mit Ihnen als Parteipräsident musste die SVP Wahlverluste hinnehmen. Sie können Bundesrat besser als Parteipräsident, einverstanden?

Ich habe mich auch als Parteipräsident sehr wohl gefühlt und hatte in der Partei eine gute Reputation. Während meiner Amtszeit standen Klima- und Gleichstellungsfragen im Vordergrund - das waren für die SVP sicher nicht die idealen Themen, um einen Wahlerfolg zu erzielen. Ich teile also Ihre Einschätzung nicht.

Als die NZZ sinnierte, dass Sie sich im Bundesrat wohler fühlen als Sie es als SVP-Präsident taten, widersprachen Sie nicht.

Wenn Journalisten sinnieren, kann man sie auch mal sinnieren lassen. Fakt ist, ich fühlte mich als Parteipräsident wohl, aber mir gefällt ebenso das Amt des Bundesrats.

Welches Amt ist anstrengender, Bundesrat oder Parteipräsident?

Den zeitlichen Umfang betreffend ist der Unterschied nicht gross. Als Parteipräsident war ich jedenfalls gleich lang „auf den Beinen“ wie heute. Als Parteipräsident muss man zwar im gesamten Land präsent sein, dadurch hat man aber auch viel Reisezeit, die man zur Erholung nutzen kann. Als Bundesrat ist hingegen der ganze Tag durchgetaktet und teilweise ist man jede halbe Stunde mit einem neuen Thema beschäftigt.

Wie schaltet man da am Abend ab? 

Ich verbringe die Abende meist mit meiner Frau, manchmal schauen wir zusammen einen Film. Viel Zeit bleibt aber nicht. Glücklicherweise kann ich gut abschalten.

Bleibt Ihnen noch Zeit für Hobbies?

Kaum. Ich versuche, ein wenig Sport zu machen, komme aber viel zu selten dazu. Ich gehe ab und zu joggen, im Sommer ab und zu wandern und im Winter langlaufen. Glücklicherweise mache ich aber meine Arbeit sehr gerne. Beruf und Hobby verschmelzen da ein wenig.

Kommen wir zu Ihrem zeitintensivstem «Hobby», der Energiepolitik: Ist es nicht langsam an der Zeit, der Bevölkerung klipp und klar zu sagen, dass die Abkehr von Öl und Gas ohne neue AKW nicht zu machen ist?

Wichtig ist mir aktuell der kurz- bis mittelfristige Aspekt. Wir müssen jetzt das Risiko einer Strommangellage beseitigen. Dabei setzen wir hauptsächlich auf Wasser- und Windkraft sowie auf alpine Solaranlagen, weil diese auch im Winter Strom produzieren, wenn das Risiko einer Mangellage am grössten ist. Darum kämpfe ich auch so vehement für den Mantelerlass, der eine Erhöhung der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen vorsieht. Es macht keinen Sinn, heute schon darüber zu diskutieren, was dann im Jahr 2040 ist.

Planung und Realisierung von AKW dauern mindestens 20 Jahre. Das müsste man doch jetzt in die Hand nehmen, um 2040 vorbereitet zu sein. 

Bereits im nächsten Jahr wird eine entsprechende Initiative vermutlich eingereicht - der Bundesrat wird sich dann zu Kernkraftwerken der Zukunft äussern. Das Thema ist also nicht auf die lange Bank geschoben. Aber ich will jetzt nicht mit akademischen Diskussionen über Kernkraft Energieprojekte für die nächsten Jahren behindern. Meine befürwortende Haltung zu Technologieoffenheit umfasst auch die Kernenergie und ist hinlänglich bekannt.

Eine zukunftsträchtige Alternative zu Atomstrom wäre grüner Wasserstoff. Die Schweiz hinkt dort hinterher. 

Die Schweiz hinkt in diesem Bereich überhaupt nicht hinterher, im Gegenteil.

Die EU plant ein grosses Verteilnetz - ohne die Schweiz.

Das stimmt nicht, wir sind bei den Verhandlungen mit dabei. Wir haben auch eine Pipeline, die durch die Schweiz läuft. Die Frage wird sein, ob diese Pipeline von der EU als offizieller Wasserstoffkorridor anerkannt wird. Wir sind diesbezüglich im Gespräch mit Italien und werden auch mit Deutschland entsprechende Gespräche führen. Aber die private Betreiberfirma war noch nicht so weit.

Wie schätzen Sie denn das Potenzial von Wasserstoff ein?

Klar ist, Wasserstoff wird im künftigen Energiesystem der Schweiz eine grosse Rolle spielen. Gleichzeitig darf man das Potenzial nicht überschätzen. Wasserstoff taugt in erster Linie als Energiespeicher - bei der Produktion gehen aber rund 70 Prozent der eingesetzten Energie verloren. Und in der Schweiz werden wir kaum über genügend Primärstrom verfügen, um selbst in grossem Ausmass Wasserstoff produzieren zu können. Wir werden entsprechend auf Importe angewiesen sein.

Ihre Partei hat in den letzten dreissig Jahren  Massnahmen zur Dekarbonisierung stets bekämpft hat. Anlass zur Selbstkritik?

Da muss ich deutlich widersprechen. Die SVP war die Partei, die stets für die Kernenergie, und somit die wirklich dekarbonisierte Stromquelle, kämpfte.

Klar. Aber bei der Mobilität, dem Heizen oder der Solarenergie wehrte sie sich stets gegen griffige Massnahmen, um weg vom klimaschädlichen Öl zu kommen. Hat man zu spät realisiert, wie sich die Welt entwickelt?

Ich habe mich bereits im Nationalrat für den Mantelerlass und damit für die Förderung erneuerbarer Energien eingesetzt. Ich bin der Überzeugung, dass wir nicht in grossem Masse auf Energie verzichten können und ich bin nicht bereit, die Leute mittels Preiserhöhungen zu einer Verhaltensänderungen zu zwingen. Mieter in Häusern mit Ölheizung müssten etwa mehr bezahlen, ohne dass sie überhaupt etwas beeinflussen können. Ausserdem braucht es zuerst immer eine gute Alternative, um aus einer Technologie auszusteigen.

Zurückhaltend sind Sie und Ihre Partei auch betreffend Medienförderung. Während Ihre Vorgängerin, Simonetta Sommaruga, die Medien stärker fördern wollte, gehen Sie mit der Senkung der Serafe-Gebühren den umgekehrten Weg. Oder planen Sie eine Vorlage zur Medienförderung?

Das Volk hat die geplante Verdoppelung der Medienförderung durch die Abstimmung 2022 abgelehnt, diesen Entscheid gilt es zu respektieren. Ich stehe aber hinter der bestehenden Medienförderung. Ich finde auch richtig, dass man die Nachrichtenagentur Keystone-SDA unterstützt. Derzeit evaluieren wir zudem, was der Staat tun muss, damit eine gewisse Medienvielfalt erhalten bleibt - sie ist ja in den letzten Jahren bereits ziemlich geschrumpft.

Kürzlich hat eine Parlamentskommission eine Vorlage zur Medienförderung in die Vernehmlassung geschickt. Wie stehen Sie dazu?

Ja, die Kommission bearbeitet dieses Dossier. Die Pläne gehen aber in die richtige Richtung und ich kann mir durchaus eine gewisse zusätzliche Unterstützung vorstellen. Wir können zwar nicht so weit gehen, wie im einstigen Medienpaket vorgesehen war, aber ich bin offen für diese Diskussion.

Unter uns: Der «Anzeiger Region Bern» wäre einem finanziellen Zustupf nicht abgeneigt.

Ernsthaft: Wenn wir die Medienförderung ausbauen, müssten meiner Meinung nach lokale Gratiszeitungen auch davon profitieren. Dafür hatte ich mich bereits im Parlament eingesetzt. Dass diese ausgeklammert wurden, war mit ein Grund für das Scheitern des Pakets.


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