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«Wie kriegt Christian seine Tochter dazu aufzuräumen?»

Das Zimmer von Christians Tochter sei ihre Sache, sagt die Familienberaterin Nina Trepp. Anders ist es, wenn es aus dem Zimmer in die Wohnung stinkt.

| Anina Bundi | Gesellschaft
Familienberaterin Nina Trepp. Foto: zvg
Familienberaterin Nina Trepp. Foto: zvg

Frau Trepp, die Tochter meines Freundes Christian ist elf Jahre alt und weigert sich, ihr Zimmer aufzuräumen. Was kann Christian tun?
Nina Trepp: Ganz grundlegend muss man sich fragen: Bis zu welchem Alter kann man noch erziehen? Mit etwa zwölf Jahren sei fertig, da bekomme man die «Quittung» für das, was man bis hierhin gemacht habe in der Beziehung zum Kind und im Vorbild sein, sagt der Familienexperte Jesper Juul. Aber zur konkreten Frage: Ihr Zimmer ist eben ihr Zimmer und liegt in ihrer Verantwortung. Da hat Christian sich wenig einzumischen.

Das ist genau, was die Tochter sagt. Dass es ihr Reich sei und man ihr da nichts vorschreiben könne. Gibt es da keine Grenzen? Ein Grund für Christians Wunsch nach mehr Ordnung ist, dass ihm die Unordnung peinlich ist, wenn Besuch kommt.
Da hat sie im Grunde recht. Das sind nämlich seine Themen, seine Scham und sein Unwohlsein und nicht das Problem seiner Tochter. Vielleicht hatte er putzwütige Eltern. Oder umgekehrt, seine Familie lebte im Chaos und er wurde deswegen ausgelacht und die Unordnung seiner Tochter triggert ihn jetzt. Und eigentlich ist es so: Im Zimmer der Tochter hat sein Besuch sowieso nichts zu suchen.

Christian macht sich auch Sorgen wegen der Hygiene. Die Tochter lässt im Zimmer dreckiges Geschirr und Essensreste herumliegen.
Das Geschirr gehört allen und muss zurück in die Küche. Wenn es aus dem Zimmer heraus stinkt, dann betrifft es die Eltern auch. Und da ist es wichtig, dass die Eltern ihre eigenen Grenzen aufzeigen, ihre Werte vertreten und diese klar kommunizieren. «Das ekelt mich extrem, und ich will, dass du dein Zimmer reinigst!»
Unterstützung kann Christian auch anbieten, wenn sie z. B. nicht in die Schule will, weil sie keine sauberen Kleider mehr findet und total verzweifelt ist. Die Verantwortung jedoch liegt bei der Tochter.

Wenn das mit dem Erziehen in dem Alter langsam vorbei ist – was hat Christian davor falsch gemacht, dass seine Tochter nun nicht aufräumen will?
Wahrscheinlich gar nichts. Ihre Unordnung ist Ausdruck ihrer Eigenständigkeit. Sie steht für sich ein und will es anders machen als ihre Eltern. Das ist ein altersgerechtes Verhalten. Es kann aber auch sein, dass er lange die Verantwortung nicht abgegeben hat. Etwa immer gesagt hat, «du musst» aufräumen und sie permanent kontrolliert hat. Und sie sich das jetzt nicht mehr gefallen lässt.

Er hat es meistens einfach selbst gemacht, und darauf läuft es immer noch oft hinaus.
Das geht natürlich sowieso nicht. Ausser sie bittet selbst um Hilfe. Da geht es um ihre Privatsphäre. Sie darf ja wahrscheinlich auch nicht seine Erwachsenensachen aufräumen. Gut ist, wenn man mit kleinen Kindern von Anfang an gemeinsam und spielerisch aufräumt und auch vorlebt: «Wenn ich ­etwas rausnehme und brauche, verräume ich es nachher wieder, und das tut gut.» So kann man die Freude an der Ordnung vorleben.

Wie ist es mit den gemeinsamen Räumen? Kann Christian da Vorschriften machen?
Es geht nicht darum, Regeln zu setzen, sondern Werte zu vermitteln und Lösungen auszuhandeln, zum Beispiel in einer Familienrunde. Also: «In unseren gemeinsamen Räumen will ich Ordnung, darum möchte ich, dass alle ihre privaten Sachen wieder versorgen.» Wichtig ist hier: Es braucht Erwachsene, die sicher wissen, was sie wollen und was ihnen wichtig ist. Wenn sie selbst nicht klar sind in ihren Werten, ist es schwierig, sie zu vermitteln.

Nina Trepp ist psychologische Beraterin, Paar- und Familienberaterin. Sie hält Referate und gibt Kurse und Weiterbildungen, aktuell leitet sie die Familylab-Elterngruppe und gibt Tagesworkshops für gefühlsstarke Kinder.
www.beratungen-bern.ch


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