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«Wie soll Simon mit der Eifersucht seines Partners umgehen?»

Eifersucht und Verlustängste haben ihre Ursache meistens in der frühen Kindheit und kaum je in der aktuellen Beziehungssituation, sagt Paartherapeut Bruno Wermuth. Sie sind ­deshalb in erster Linie die Aufgabe der eifersüchtigen Person. Simon kann mit Empathie und Nachfragen helfen, aufs Ausgehen verzichten wäre aber falsch.

| Anina Bundi | Gesellschaft
Paartherapeut Bruno Wermuth. Foto: zvg

Bruno Wermuth, mein Freund Simon lebt mit seinem Partner zusammen. Dieser ist am liebsten zu Hause und ist eifersüchtig, wenn Simon ohne ihn ausgeht. Wie soll sich Simon verhalten?
Hier haben wir eine klassische Paar­situation. Zwei Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen. Die Frage ist, auf welcher Ebene man das aushandelt. Will man «mächtele», also mit harten Bandagen drauflos gehen, oder will man es miteinander angehen auf eine Art, wie man das in einer funktionierenden Beziehung, die auf Verständigung abzielt, macht.

«Mächtele» ist also nicht gut?
Manchmal ist es sinnvoll, klare Ansagen zu machen und Bedingungen zu stellen. Aber grundsätzlich zielen Machtkämpfe in Beziehungen nicht darauf ab, Lösungen zu finden, sondern darauf, sich als Einzelperson durchzusetzen. Das ist meistens nicht sinnvoll. Ausser man hat sowieso die Schnauze voll und sammelt bloss noch Beweise, warum es nicht mehr geht.

Das kommt vor?
Ja, das erlebe ich in Paarberatungen. Dass es letztlich darum geht zu sagen: «Therapie haben wir auch noch probiert, aber auch das hat nichts genützt.»


Wann ist es sinnvoll, klare Ansagen zu machen und ­Bedingungen zu stellen?
Es gibt «lebenswichtige» Inhalte, Sachen, von denen ich weiss, wenn ich die nicht habe, bin ich nicht mehr ich selbst, sondern nur noch fremdbestimmt und im Käfig. Dann sollte man Bedingungen stellen.

Hier ist das aber nicht der Fall?
Das kann ich von Weitem nicht sagen. Nur, dass es ein üblicher Konflikt ist. Vermutlich ist der eine eher introvertiert und der andere extrovertiert. Da muss man schauen, wie man einen Kompromiss findet, sodass jeder leben kann, wie er von seiner Wesensart her möchte. Die beiden könnten zusammen schauen, was in nächster Zeit so ansteht, und dann entscheiden, was sie zu zweit machen und wo jeder für sich schaut.

Bei Simons Freund geht es nicht um organisatorische Probleme, sondern er hat Verlustängste. Also Angst, dass Simon im Ausgang jemanden kennenlernt, der besser zu ihm passt.
Hinter scheinbar organisatorischen Problemen kann sich ein Eifersuchtsproblem verstecken. Das kann man kaschieren, indem man sagt «ich bin einfach am liebsten mit dir zu zweit». Aber eigentlich hat man Angst, jemanden zu verlieren, und versucht im dauernden Zusammensein, die Kontrolle zu haben. Es ist besser, das offen anzusprechen. «Es stresst mich und fordert mich heraus. Ich fürchte, dass Du jemanden triffst, der besser zu deinen Bedürfnissen passt und ich dann nicht mehr interessant bin für dich.» Fast immer legt man Dinge besser auf den Tisch, als sie unter dem Tisch zu verstecken.

Was wäre Simons Aufgabe in dem Ganzen?
Wichtig ist, herauszufinden, was die Beweggründe seines Partners sind. Er kann sich ihm annähern und genauer nachfragen, ob es um mehr geht, als ausgesprochen ist.

Und wo hört seine Aufgabe auf?
Eifersucht ist grundsätzlich nie das Problem des Gegenübers. In der Regel bringt die eifersüchtige Person sie mit in die Beziehung. Meistens geht sie zurück auf die frühe Geschichte einer Person, also auf die ersten Beziehungen in der Kindheit. Simon soll mitfühlend sein. Fatal wäre, wenn
er versuchen würde, durch eine Verhaltens­änderung die Eifersucht des Partners zu verhindern. Das würde schlussendlich nur das Leiden ­verlängern. Ich würde empfehlen, mit einer Fachperson die Biografie aufzurollen und zu schauen, woher die Ängste kommen.

Allein oder zu zweit?
Meistens ist es sinnvoll, erstmal allein zu gehen und den Partner dann dazu einzuladen.

Was meinten Sie vorhin mit «das Leiden verlängern»?
Wenn man zum Beispiel nicht mehr in den Ausgang geht, oder wenn doch, ständig in Kontakt bleibt, vielleicht ­Fotos schickt, wo man gerade ist, wird das die Eifersucht oder die Verlustangst unter dem Strich nicht wegbringen. Da probiert man dies und das, doch am Ende bleibt sie trotzdem, und man merkt, das war alles für nichts. Es gibt ja Leute, die behaupten, ein wenig Eifersucht sei gut, weil sie zeige, dass man jemanden liebt. Ich würde sagen: Die Eifersucht als Gefühl ist nie gut. Gut ist das Bewusstsein dafür, dass der Partner auch anders, also ohne mich leben könnte. Die Trennung besteht als Möglichkeit immer. Will man sie um jeden Preis verhindern, ist man schon wieder bei den Ängsten.

Ist das Problem zwischen Simon und seinem Partner also lösbar?
Es kann eine intensive Auseinandersetzung sein, die Simons Partner an Orte zurückführt, wo Verletzungen passiert sind. Dies kann sich schwierig gestalten, da dies vielleicht in einer Zeit war, wo noch keine Sprache da war oder kein rationales Denken. Es kann deshalb sinnvoll sein, Gespräche mit einem körpertherapeutischen Ansatz zu kombinieren. Ganz auflösen werden sich die Ängste wohl nicht, aber durch rationales Denken hat man ein neues Werkzeug, damit umzugehen. Es kann kompliziert und streng sein, aber aus meiner Erfahrung als Begleiter solcher Prozesse kann ich sagen: Es ist machbar.

Bruno Wermuth ist Sozialpädagoge FH und arbeitet nach diversen Weiterbildungen seit 15 Jahren als Einzel-, Paar und Sexualtherapeut. Nebst Beratungen in der eigenen Praxis bietet er Workshops, Elterncoachings und Weiterbildungen an. Von 2008 bis 2023 beantwortete er als «Dr. Sex» in «20 Minuten» Fragen zu Sex und Beziehungen.

 www.brunowermuth.ch


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