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Soll Marco nach dem Nein einen zweiten Versuch starten?
Ein Nein in romantischen oder sexuellen Belangen muss man akzeptieren. Wenn man unsicher ist, kann man aber auch noch mal nachfragen. Wichtig ist, wie genau man das macht.

Bruno Wermuth, mein Freund Marco ist verliebt in eine Frau. Sie hat ihn abgewiesen, er ist aber überzeugt, dass sie eigentlich auch verliebt ist und aus anderen Gründen Nein sagt.
Soll er ihr Nein akzeptieren oder auf sein Bauchgefühl hören?
Das ist ein heikles Terrain, weil es hier um das Thema «Nein heisst Nein» geht. Das wird zwar vor allem im Kontext der sexuellen Gewalt diskutiert, gilt aber grundsätzlich auch sonst: Nein heisst Nein! Allerdings gibt es eben auch Ambivalenzen. Ich kenne das aus Gesprächen mit Buben in der Sexualpädagogik. Sie erleben, dass Mädchen manchmal unklar kommunizieren, aus was für Gründen auch immer. Sie erleben es dann als schwierig, zu merken, ob es «nur» Unsicherheit ist oder wirklich ein Nein. Sie hören dann manchmal ein «Ja, aber» anstatt ein «Nein». Wichtig ist immer, die Situation zuerst setzen zu lassen und besonnen zu bleiben. Das Ganze ist auch abhängig vom Alter. Die Jugend hat eher die Erlaubnis, auch mal inkompetent zu sein und Fehler zu machen. Wenn ein 14-Jähriger sagt: «Das meinst Du doch gar nicht so» ist das wohl eher verzeihbar. Man soll ihm dann aber auch sagen, dass er damit unter Umständen Grenzen überschreitet. Bei erwachsenen Männern ist es anders. Sie sollten sich klar sein, dass eine Grenzüberschreitung unbedingt zu vermeiden ist, und müssen daher besser abklären, wie die Aussage gemeint und was angebracht ist.
Allerdings wissen erwachsene Frauen vielleicht auch besser, mit inkompetenten Nachfragen umzugehen als 14-jährige Mädchen.
Ja, hoffentlich! Aber man muss aufpassen, dass man die Aufgabe nicht an die Frauen abschiebt. Die Verantwortung für sein Verhalten liegt beim Mann. Allerdings ist es so, dass Frauen auch nicht immer klar kommunizieren. Deshalb als Rat an sie: «Je klarer die Botschaft, umso eher kommt sie auch an.» Diese «radikale» Klarheit hat aber auch Nachteile. Flirten lebt von diesem «schwebenden Raum der Unsicherheit». Der Imperativ zur Klarheit kippt schöne, prickelnde und spannungsvolle Aspekte des Balzspiels über Bord. Zudem lebt Kommunikation ja auch davon, dass es Verhandlungsspielräume gibt. Ich bin hier etwas in einem Dilemma. Einerseits habe ich dazu meine persönliche Meinung, als Fachperson lande ich damit aber möglicherweise schnell in Teufels Küche.
Dann schauen wir doch den konkreten Fall an. Marco ist ein erwachsener Mann, intellektuell und feministisch geschult und die Frau ist ungefähr gleichaltrig.
In diesem Kontext finde ich, sollte ein zweiter Versuch oder ein Nachfragen Platz haben. Am besten mündlich. Schreiben ist durch die Distanz anfällig für Missverständnisse und Marco könnte überheblich oder verständnislos rüberkommen. Es ist auch mutiger, direkt das Gespräch zu suchen.
Was genau könnte er sagen?
Auf jeden Fall Ich-Botschaften machen. Also nicht: «Du tust nur so, aber ich weiss, dass Du Ja meinst», sondern: «Ich bin verunsichert, weil ich hier zwei verschiedene Botschaften höre. Vielleicht kannst Du mir helfen.» Und dann zuhören. Vielleicht könnte er auch einsteigen mit «Vielleicht ist es für Dich irritierend, wenn ich noch mal frage, aber ich möchte auf keinen Fall etwas verpassen.»
Und wenn die Frau 15 Jahre jünger wäre?
Dann sollte Marco vorsichtiger sein. Mir stellt sich dann auch die Frage: Was stellt er sich vor, was will er genau? Bei einem derartigen Unterschied könnte die Frau nämlich überfordert sein. Ich habe hier ein Beispiel aus der Beratung. Ein Klient war in eine viel jüngere Arbeitskollegin verliebt und ziemlich sicher, dass es gegenseitig ist. Aufgrund des Gesprächs mit mir, hat er es ihr dann gesagt. Sie fiel aus allen Wolken und die Zusammenarbeit war danach sehr schwierig.
Dann hat er Signale gesehen, die nicht da waren?
Ja, er hatte offenbar nicht die Kompetenz, das, was er sah und hörte, richtig einzuschätzen beziehungsweise im Gespräch zu verifizieren. Man muss dazu aber auch sagen, dass er sozial unsicher ist und sehr unerfahren mit Frauen.
War das denn nun sein Fehler oder haben Sie ihm den falschen Ratschlag gegeben?
An seinem Verhalten war nichts falsch. Er glaubte an einen gegenseitigen Crush, was aber, wie sich dann herausstellte, nicht der Fall war.
Bruno Wermuth ist Sozialpädagoge FH und arbeitet nach diversen Weiterbildungen seit 15 Jahren als Einzel-, Paar und Sexualtherapeut. Nebst Beratungen in der eigenen Praxis bietet er Workshops, Elterncoachings und Weiterbildungen an. Von 2008 bis 2023 beantwortete er als «Dr. Sex» in «20 Minuten» Fragen zu Sex und Beziehungen.
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