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Der Kanton Bern will nicht mehr «Steuerhölle» sein

Nach den Unternehmen sollen auch die Haushalte steuerlich entlastet werden. Die Linke bekämpft aber die geplante Steuersenkung für alle und fordert das Ende des Steuerwettbewerbs. Der Ökonom Marcus Roller zeigt dafür wenig Verständnis – und rät stattdessen zu einer Diskussion über die Erbschaftssteuer.

| Fabian Christl | Wirtschaft

 

Der Kanton Bern ist eine «Steuerhölle». So sagen es jedenfalls bürgerliche Politiker seit Jahren. Es mag sich um einen politischen Kampfbegriff handeln, aber er ist auch nicht aus der Luft gegriffen. Das zeigt etwa ein Vergleich des «Anzeiger Region Bern» (siehe Grafik). Der Kanton Bern gehört demnach bei allen Haushaltskategorien und Einkommensklassen zu den teuersten Kantonen der Schweiz, bisweilen ist er sogar der teuerste von allen. 

Die Kantonsregierung weiss um den schlechten Platz in der Steuerrangierung – und möchte handeln. Ab 2025 sollen Haushalte weniger Steuern bezahlen müssen. Allzu viel macht die geplante Steueranlagensenkung aber nicht aus. Die kantonalen Steuern sänken dadurch für alle um 4,13 Prozent. Eine alleinstehende Person mit mittlerem Einkommen müsste entsprechend statt 5512 Franken noch 5284 Franken Kantonssteuern bezahlen. Für den Kanton bedeutete das Mindereinnahmen in der Höhe von 80 Millionen Franken jährlich. Im Vergleich mit den anderen Kantonen stünde man noch immer schlecht da. 

Wie aus der jüngst veröffentlichten Steuerstrategie hervorgeht, ist das aber erst der Anfang. Bis 2030 sollen insgesamt 200 Millionen Franken in breite Steuersenkungen gesteckt werden. Weitere 200 Millionen Franken sollen gezielt in Steuersenkungen für Haushalte mit niedrigem Einkommen fliessen – dort schneidet der Kanton Bern besonders schlecht ab. 

GLP: «Viel Geld in der Kasse»

Nun ist es nicht das erste Mal, dass der Kanton Bern die Steuern senken will. Häufig scheiterten die Pläne indes am Kantonsparlament, am Volk oder schlicht an der Finanzlage. Dieses Mal stehen die Zeichen aber gut, wie eine Umfrage bei den Parteien zeigt. GLP, Mitte, FDP und SVP begrüssen die Steuerstrategie – und verfügen zusammen im Kantonsparlament über eine solide Mehrheit. 

Für die GLP entscheidend ist, dass die Steuersenkungen keine Sparmassnahmen zur Folge haben werden, wie Grossrat Tobias Vögeli ausführt. Die Finanzlage sei gut, «wir haben genügend Geld in der Kasse, um die Steuersenkung zu finanzieren.» Der Service Public könne aufrechterhalten werden, gar ein Stellenwachstum bei der Kantonsverwaltung sei vorgesehen. «Der Zeitpunkt ist deshalb gut, um der Bevölkerung etwas zurückzugeben.»

Tatsächlich ist in der Steuerstrategie kein Leistungsabbau vorgesehen. Die Steuersenkungen sollen dank höherer Einnahmen durch den Finanzausgleich, Nationalbank-Ausschüttungen und steigender Steuereinnahmen finanziert werden können. 

FDP geht es zu wenig weit

FDP und SVP sind mit der Stossrichtung einverstanden. Sie hätten sich angesichts der stark gestiegenen Steuereinnahmen aber ambitioniertere Ziele gewünscht. «Wir senken die Steuern – und bleiben trotzdem auf dem letzten Platz der Steuerrangliste», sagt etwa FDP-Fraktionschef Carlos Reinhard. Tiefere Steuern würden zudem Gutverdiener anlocken – und dadurch gar nicht zwingend zu Einnahmeausfällen führen, so Reinhard weiter. 

Eine Aussage, die vom Kanton bestritten wird. Laut einem Expertenbericht führten Entlastungsmassnahmen bei den natürlichen Personen «zu praktisch gleich hohen Einnahmeausfällen», heisst es in der Steuerstrategie.

SP und Grüne hingegen lehnen die Steuersenkungen für Unternehmen und Private ab. Einzig mit den spezifischen Massnahmen für Geringverdiener zeigen sie sich einverstanden. Für die Grünen wären aber die Gelder besser eingesetzt, wenn man sie anstatt für eine Steueranlagesenkung für Prämienverbilligungen, den Klimaschutz oder Lehrerlöhne einsetzen würde, wie Co-Präsidentin Brigitte Hilty Haller sagt. «Aber immer, wenn wir diese Themen aufs Tapet bringen, heisst es, dass dafür das Geld fehle.»

Ähnlich sieht es Ueli Egger, Co-Präsident der SP. Steuersenkungen brächten nur Gutverdienenden etwas. Eine Durchschnittsfamilie spare so lediglich hundert Franken im Jahr, Massnahmen bei Mieten wären effektiver. 

Seine Aussage deckt sich mehr oder weniger mit den Berechnungen des «Anzeigers». Demnach spart eine Familie mit mittlerem Einkommen durch die geplante Anlagensenkung 250 Franken pro Jahr, eine Familie mit 75 000 Franken Jahresbruttoeinkommen rund 120 Franken. Bei einer Familie mit 220 000 Franken Jahresbruttoeinkommen, die zu den fünf Prozent einkommensstärksten gehört, beträgt die Einsparung aber rund 900 Franken. 

Die grosse Differenz zu den anderen Kantonen ist für Egger Anlass, um über den Steuerwettbewerb nachzudenken. Der grossflächige Kanton Bern mit zahlreichen strukturschwachen Gebieten habe gar keine Chance, im Steuerwettbewerb zu bestehen. Zudem führe dieser zu einem Wettrennen nach unten. «Letztlich treibt der Steuerwettbewerb alle in den Ruin.»

Es sind Sätze, die den Berner Ökonomen Marcus Roller, Experte für die Besteuerung von natürlichen Personen, zum Schmunzeln bringen. Der Steuerwettbewerb existiere schon seit 150 Jahren – und den Kanton Bern gebe es noch immer, sagt er. Roller räumt zwar ein, dass es «homogenere» Kantone einfacher hätten. Den Steuerwettbewerb infrage zu stellen, sei aber der falsche Weg. Dieser sei vielmehr Garant dafür, dass die Kantone und Gemeinden diszipliniert mit den öffentlichen Geldern umgingen. «Darum zahlen wir in der Schweiz auch so viel weniger Steuern als im benachbarten Ausland.»

Effizient Steuern abgreifen

Wer sich darum sorge, dass der Kanton zu wenig Steuereinnahmen habe, dem rät Roller eher zu einer Diskussion über eine Erbschaftssteuer. «Ich bin etwas erstaunt, dass es auf diesem Gebiet so ruhig ist», sagt er. So werde in der Schweiz jährlich Vermögen in der Höhe von ca. 90 Milliarden Franken vererbt, was nicht zuletzt dem Credo widerspreche, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Ergebnis der eigenen Bemühungen sein soll. 

Als Ökonom interessieren ihn aber weniger Gerechtigkeitsüberlegungen als wirtschaftliche Zusammenhänge. Und aus dieser Perspektive gelte die Erbschaftssteuer als effizient im Sinne, dass sie wenig Einfluss auf das Verhalten der Menschen habe. Die Abschaffung der Erbschaftssteuer habe etwa kaum Wohnsitzwechsel zur Folge gehabt. «Für den Staat bedeutet das, dass er auf diesem Weg effizient viele Steuergelder abgreifen könnte.»

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