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«Ich bin der Samichlous, nicht Santa Claus»

Im Dezember sind Besuch vom Samichlous in Bern Tradition. Ein langjähriger Samichlous erzählt, wie er mit der Vermarktung seiner Figur umgeht und welche Unterschiede er zu früher wahrnimmt.

| Anzeiger Region Bern | Kultur
Samichlous
Der Samichlous Foto: zvg

Wieso bist du zum Samichlous geworden?

Samichlous*: Ich habe sehr schöne Erinnerungen an den Samichlous aus meiner Kindheit. Deshalb habe ich mich gemeldet, als die Zunft in Bern Leute suchte, was sie aktuell immer noch tut. Da wir immer in Paare unterwegs sind, war ich zuerst eine gewisse Zeit lang als «Schmutzli» unterwegs, bevor ich selbst Samichlous wurde.

Gibt es heute grosse Unterschiede im Vergleich zu deinen Erinnerungen?

Nicht unbedingt. Wir sehen immer noch viel Freude und grosse Augen bei den Kindern. Auch die «Verslis» sind grösstenteils gleichgeblieben: Ende Dezember könnte ich die meisten davon auswendig aufsagen.

Heute müssen wir uns von anderen Figuren, wie etwa Santa Claus, stärker abgrenzen. Für uns ist klar: Wir sind zwar nicht als katholischer Bischoff St. Niklaus unterwegs, wir können aber auch nicht fliegen und haben keine Renntiere.

Dennoch hat die Figur eine offensichtliche religiöse Komponente. Wie gehst du damit um?

Ich lehne die religiöse Seite der Figur nicht ab, versuche aber neutral zu bleiben. Je nach Hintergrund der Familie wünsche ich keine schöne Weihnachtszeit, sondern eine schöne «Samichlouszeit». Ich sehe aber den Samichlous auch eher als kulturell wertvolle Figur.

Was hältst du davon, wenn diese wertvolle Figur für Werbeaktionen benutzt wird?

Persönlich würde ich mir sehr gut überlegen, ob ich bei einer solchen Aktion mitmache, weil ich mich lieber auf Besuche in Schulen, Privatgruppen oder Altersheime konzentriere. Wenn es aber eine clevere Idee ist, bei der die Figur des Samichlouses respektiert wird, würde ich auch nicht grundsätzlich ablehnen. Wichtig ist, dass tatsächlich ein Bezug zum Samichlous besteht. Als Beispiel: Dem «Santa Run», wie er auch in Bern stattfindet, stehen wir eher skeptisch gegenüber, weil er für uns keinen Bezug zum Samichlous hat.

Wird der Samichlous in den nächsten Jahren vom Santa Claus verdrängt?

Nein. Ich gehe davon aus, dass es den Samichlous auch in zehn Jahren noch geben wird. Die Nachfrage bei der Zunft ist ungebremst.

Apropos Zunft: Was ist deren Aufgabe?

Durch die «Samichlouszunft Bärn» haben wir einen guten Rückhalt, wenn wir unterwegs sind. Beispielsweise wird am Mittag und am Abend für uns gekocht. Neben der Saison werden Kurse organisiert, zum Beispiel lernen wir, wie man Märchen erzählt oder was man beachten muss, wenn man mit dem Eseli unterwegs sein will.

Erhalten Sie durch die Zunft einen Lohn?

Wir erhalten einen Unkostenbeitrag, von dem teilweise am Ende der Saison etwas übrigbleibt. Es ist aber definitiv kein guter Stundenlohn. Samichlous ist man aus Leidenschaft.

In welchen Momenten spüren Sie diese besonders stark?

Es gibt unzählige schöne Momente. Spontan kommt mir ein Besuch in den Sinn, auf den ich mich in diesem Jahr besonders freue: Bei dieser Familie gehe ich zum letzten Mal vorbei, weil die Kinder mittlerweile älter sind. Sie wollten aber trotzdem noch einen Besuch von mir, um sich zu verabschieden.

 

Erhalten Sie einen Lohn?

Wir erhalten einen Unkostenbeitrag, von dem teilweise am Ende der Saison etwas übrigbleibt. Es ist aber definitiv kein guter Stundenlohn. Samichlous ist man aus Leidenschaft.

Interview: Philippe Flück

 


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