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Wir alle sind Fridu

Während einer Woche läuft im Kino Rex der Kurzfilm «Fridu» als Vorfilm. Darin sinnieren zwölf Gesprächsteilnehmer und Gesprächsteilnehmerinnen über den Frieden, alle verkörpert von Sarah Hugentobler. 

| Bettina Gugger | Kultur
Sarah Hugentobler lässt sich in ihren Videoarbeiten von Stimmen inspirieren. Foto: zvg
Sarah Hugentobler lässt sich in ihren Videoarbeiten von Stimmen inspirieren. Foto: zvg

Eine Gesprächsrunde denkt im Kurzfilm «Fridu» von Sarah Hugentobler und Stephan Hermann über den Frieden nach. Zu Beginn des Films sind die Teilnehmenden in vier mal vier quadratischen Feldern angeordnet. Alle werden von Videokünstlerin Sarah Hugentobler verkörpert. Seit ihrem Studium an der Hochschule der Künste Bern (HKB) vor 15 Jahren wendet sie in ihren Videoarbeiten dieses Prinzip an. Sie lässt sich von Stimmen inspirieren, um in die Rolle der Sprechenden zu schlüpfen, während sie die Originalstimme beibehält. Hugentobler ist sowas wie das Pendant zur Synchronsprecherin: die Synchronspielerin, aber nicht nur. Szenografie, Kostüm, Musik, Ton und Dramaturgie sind ebenso wichtige Elemente in ihren humorvollen, hochästhetischen Videoarbeiten wie ihr schauspielerisches Talent, das sie in den letzten Jahren stets weiterentwickelte. 

Das Unperfekte weckt Interesse

In den jüngsten Theaterarbeiten verzichtet die Künstlerin, die aktuell noch den Master-Studiengang Expanded Theater absolviert, schliesslich beinahe auf die Kostümierung und vertraut ganz auf ihre Mimik und Gestik, mit denen sie den Stimmen, Trouvaillen aus Podcasts und Radiosendungen, ein «alternatives» Leben einhaucht. Mittlerweile hat sie sich ein grosses Stimmen-Archiv aufgebaut. «Die Stimme gibt die Mimik vor», so Hugentobler. Sie verinnerlicht den Atem- und Sprechrhythmus eines Sprechenden, fühlt sich in die Stimme hinein und übersetzt mimisch und gestisch die Bilder, die in ihr entstehen. Dabei interessiert sie das Unperfekte in Interviews; die Versprecher, die Lacher, das Suchen nach dem richtigen Ausdruck. So ringen auch die Gesprächsteilnehmenden in «Fridu» um die richtigen Worte, schliesslich haben sie keine einfache Frage zu beantworten. «Was braucht eine Gesellschaft, damit sie friedlich ist?», fragten Sarah Hugentobler und Dokumentarfilmer Stephan Hermann ihre Interviewpartner. Der Film entstand anlässlich eines Auftrages der Stiftung Gertrud Kurz. 

Die «Flüchtlingsmutter»

Gertrud Kurz gründete während des Zweiten Weltkrieges ihr eigenes Hilfswerk, die «Kreuzritter»-Flüchtlingshilfe, woraus nach dem Zweiten Weltkrieg der «Christliche Friedensdienst» wurde, dem heute «Frieda – die feministische Friedensorganisation» entspricht. Kurz, auch «Flüchtlingsmutter» genannt, empfing im eigenen Haus Flüchtlinge, leistete materielle Hilfe und setzte sich bei Behörden für die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge ein. Hugentobler und Hermann wollten das Thema der Flüchtlingshilfe aus der heutigen Perspektive heraus betrachten. «Heute passieren ähnliche Dinge. Müssten wir uns nicht mehr einsetzen?», fragt Sarah Hugentobler. Am Ende des Films holen Hugentobler und Hermann Gertrud Kurz nochmals in die Gegenwart. «Wenn wir uns damals einig gewesen wären im Willen, die Leute reinzulassen, und das Bundeshaus gestürmt hätten …», sinniert Kurz über das Unterlassene und Versäumte, das ihr wie die eigenen Fehler vorkomme, «aber jetzt sollten wir vorwärtsschauen, dass so etwas nicht mehr passiert, und aus dieser furchtbaren Zeit eine Lehre ziehen», so Kurz. 

«Fridu» erschlägt einen jedoch nicht mit einem moralischen Appell, der uns an die eigene Ohnmacht erinnern würde. Hugentobler und Hermann suchen das Gemeinsame und Verbindende über den Dialog und den Humor. So spielt der Titel nicht etwa auf die berndeutsche Version von «Friedrich» an, sondern auf den walliserdeutschen Ausdruck für Frieden, «Fridu» eben, was bei den Gesprächsteilnehmenden für Gelächter sorgt. «Humor ist eine grosse Hilfe. In allen Situationen des Lebens ist es gut, wenn man etwas Fröhliches dabei sieht», sagt Gertrud Kurz, deren Aussage sich bescheiden zwischen die Äusserungen der Zeitgenossen einfügt.

Für die Kino-Version haben Hugentobler und Hermann den Ton überarbeitet. Die quadratischen, in Pastellfarben gehaltenen Felder variieren in der Grösse: Mal sind vier Teilnehmende im Bild, mal nur zwei oder eine Teilnehmende alleine, alle von Hugentobler verkörpert; rein äusserlich unterscheiden sich die unterschiedlichen Charaktere nicht voneinander. «Für die Kinoversion ist es wichtig, dass der Ton auch aus unterschiedlichen Richtungen kommt», erklärt Hugentobler. Die Stimmen verbinden sich zu einem unterhaltsamen Friedenschor, der sich auch nicht scheut, John Lennons «Imagine» anzustimmen.  

Kino Rex Bern, 28. März, Kinopremiere, 17.00 bis 18.00 Uhr.

Ab 28. März eine Woche als Vorfilm im regulären Programm des Kino Rex.


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