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Ein Kulturort mit langer Tradition

Vor 20 Jahren öffnete das «kleinste Mehrspartenhaus» ONO an der Kramgasse seine Pforten. Betreiber Daniel Kölliker blickt auf bewegte Jahre zurück

| Bettina Gugger | Kultur
Daniel Kölliker
Leben und arbeiten fliessen bei Daniel Kölliker ineinander über. Foto: Nik Egger

Donnerstagmorgen, Daniel Kölliker öffnet für den «Anzeiger Region Bern» das ONO, sein Kellerlokal an der Kramgasse, das er seit zwanzig Jahren erfolgreich betreibt. Das ehemalige Kleintheater wurde in den 1950er-Jahren eröffnet. Bis 2003 führte Thomas Nyffeler den Betrieb und brachte Erstaufführungen wie Handkes «Publikums­beschimpfung» oder Becketts «Spiel» auf die Bühne. «Das ONO ist heute das kleinste Mehrspartenhaus der Stadt», lacht Kölliker. Auf dem Programm stehen Jazz, Klassik, bildende Kunst, Literatur, Theater, Tanz und unter dem Label «Sounds» elektronische Musik bis hin zu Folk. 

Durch eine starke freie Theater­szene und die Modernisierung des Stadttheaters sei die Rolle des Kleintheaters, das in den 1950er- und 1960er-Jahren auf die Avantgarde setzte, hinfällig geworden, so Kölliker. So fällte er nach einer genauen Analyse der Berner Theater- und Kulturszene vor 20 Jahren den Entscheid, mit dem ONO ein Forum für Kunstschaffende verschiedener Sparten zu bieten. 

 Innovative Literaturformate

Seither lesen hier Autoren wie Pedro Lenz oder Bestsellerautorin Milena Moser. Songwriterinnen wie Heidi Happy und Jaël verzaubern das ehemalige Theater mit seinen 80 Sitzplätzen. Sogar Ray Wilson, früherer Sänger von Genesis, sorgt regelmässig für ein ausverkauftes Haus. Durch innovative Literaturformate wie den Lesesessel, initiiert von der damaligen ONO-Mitarbeiterin Franziska Müller, mauserte sich das ONO früh zum Literaturort. Der Berner Altstadtslam, Spoken Word Shows, musikalische Lesungen und «Folientango», eine Powerpoint-Karaokeshow, sind fester Bestandteil des Programms. Auch die Podiumsdiskussion zum Thema Sexualität «6 × 6» hat sich als regelmässige Veranstaltung etabliert. 

Der Betrieb mit rund 25 Mitarbeitenden finanziert sich durch Ticketverkauf, Mitgliederbeiträge, Barbetrieb, Vermietung der Räumlichkeiten und Kulturbeiträge von Stadt, Burgergemeinde und Kanton in der Höhe von 90 000 Franken. 

«Angesichts der weltweiten kriegerischen Konflikte zeigt das ONO, was im Kleinen möglich ist», sinniert Daniel Kölliker. An den Wänden im Foyer hängen die Aquarelle von Nasrin Amiri, einer iranischen Künstlerin. Zu sehen sind geisterhafte, clowneske Figuren in surrealen Landschaften. «In den Arbeiten trifft das Gegenständliche der iranischen Kunst auf die westliche abstrakte Kunst», erklärt Kölliker. Amiri besucht nach einem Kunststudium im Iran die Hochschule der Künste in Bern. Nebenbei arbeitet sie im ONO. An der sand­gestrahlten Mauer verweist noch eine weisse Linie auf eine Schiene, die Harald Szeemann (Kurator und einstiger Direktor der Kunsthalle Bern, der Biennale in Venedig und der Dokumenta in Kassel) anlässlich einer Ausstellung von Hugo Ball angebracht hatte. 

 Ein etwas anderes Filmset

Daniel Kölliker war Filmemacher mit eigener Produktionsfirma, als er den Auftrag erhielt, fürs damalige Theater an der Kramgasse Sequenzen im Stil von Ed Wood – «dem schlechtesten Filmemacher aller Zeiten», so Kölliker – zu drehen. So lernte er Thomas Nyffeler kennen, der mit seinen über 70 Jahren allmählich müde wurde, den laufenden Betrieb alleine zu führen. «Bei einem Abendessen im Kreise von Freund*innen, die ihm unter die Arme greifen wollten, äusserte Thomas Nyffeler den Wunsch, das Theater abzugeben», erinnert sich Kölliker. Er habe damals gerade einen Dok-Film über Gender-­Studies gedreht und unter der Dusche bereits über Konzeption und Renovation des Theaters nachgedacht. Er beschloss, das Filmen erstmal auf Eis zu legen, und entschied sich für das Kleintheater an der Kramgasse. Es folgten ausserdem schon bald die beiden Kinder, die heute im Teenageralter sind. Kölliker hat seinen Entschluss nie bereut: «Im ONO kommt ähnlich wie beim Film vieles zusammen». Das Programmieren und Kuratieren habe Ähnlichkeiten mit dem Drehbuchschreiben und der Bildgestaltung, HR-Fragen mit dem Cast. Hinzu kämen technische Fragen zu Licht und Soundsystemen oder die Organisation der Bar. Er habe nie mit dem Gedanken gespielt, das ONO aufzugeben. Gerade in der Coronakrise habe er nach dem ersten Schock eine hohe Selbstwirksamkeit und grossen Zuspruch und Unterstützung aus der Bevölkerung erfahren.

Arbeitszeit und Freizeit fliessen bei Kölliker ineinander über. Besuche er beispielsweise die Biennale in Venedig, sei dies Weiterbildung und Freizeit zu gleich. «Es ist ein Privileg, eine Ausstellung einer Künstlerin wie Nasrin Amiri zu kuratieren, die gleichzeitig auch eine Kollegin ist», meint er im Hinblick auf die Highlights im aktuellen Jahr. 

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Nasrin Amiris filigrane Bildwelten bewegen sich zwischen dem Gegenständlichen und Abstrakten. Foto: zvg 

18. Januar, 20.00 Uhr: Spoken Word mit Judith Stadlin und Hans Jürg Zingg. 

21. Januar, 17.00 Uhr: Impro-Theater Planlos.

Info: onobern.ch 


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