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176 Millionen für ein neues Quartier
Damit in Ausserholligen Drittprojekte in Milliardenhöhe umgesetzt werden können, bezahlt die Stadt Kanalisation, Velowege und Grünflächen.

«Viel Potenzial» – das ist der Ausdruck der Stunde, wenn es um den Entwicklungsschwerpunkt in Ausserholligen geht. Noch liegt auf dem Gebiet vor allem Industriefläche und vieles brach. Das soll sich aber ändern: In den nächsten fünfzehn Jahren soll hier ein komplett neues Quartier entstehen.
Über 40 Teilprojekte sind aktuell von öffentlichen und privaten Investoren vorgesehen. Insgesamt sollen diese rund drei Milliarden Franken in die Entwicklung des Gebiets investieren. Damit sollen in ferner Zukunft mehrere Tausend Menschen arbeiten, lehren und wohnen können. Dafür braucht es besonders viel Koordination von der Stadt. Vor allem aber braucht es Infrastruktur, um all diese Projekte miteinander zu verbinden. Auch dafür ist die Stadt zuständig.
Es sind Projekte, die wenig glamourös wirken, aber umso wichtiger seien, damit das «Terrain dann auch wirklich funktioniert», wie die Verantwortlichen immer wieder betonen. Konkret geht es um ein Wegnetz für Velos und Fussgänger, aber auch um die Gestaltung verschiedener Grün- und Freiräume sowie um Entwässerungsprojekte.
Für diese Projekte beantragt der Gemeinderat nun einen sogenannten Rahmenkredit von 176 Millionen Franken. Das ist doppelt so viel wie die 85 Millionen, welche der Gemeinderat noch vor einem Jahr genannt hatte. Zum damaligen Zeitpunkt hätten unter anderem die ingenieurtechnischen Berechnungen gefehlt, sagte Stadtingenieur Reto Zurbuchen an einer Medienkonferenz vergangenen Mittwoch.
Für die Stadt Bern geht es damit um viel Geld, obwohl die Verantwortlichen zum Vergleich gerne die erwarteten drei Milliarden an Investitionen beiziehen. Der Kredit soll 17 Teilprojekte beinhalten, welche die Stadt entweder selbst durchführt oder mitfinanziert. Allein zwei dieser Projekte machen mehr als die Hälfte der Kosten aus.
Unterführung Europaplatz Nord: Das nötige Verkehrsnetz
Das erste solche Projekt ist die neue Unterführung Europaplatz Nord. Sie soll die Stadt 59 Millionen Franken kosten. Federführend ist die SBB, die im Zug der Quartierentwicklung und der Weiterentwicklungen des nationalen Bahnnetzes einen neuen Verkehrsknotenpunkt schaffen will.
Die Stadt ist dabei vor allem für den Bau einer Unterführung verantwortlich, die in Zukunft auch genug Platz für grosse Personenströme bieten soll. Damit die Unterführung unter den Gleisen gebaut werden kann, müssen grosse Mengen an Erde und Beton abgetragen werden: Das Terrain soll um bis zu sieben Meter gesenkt werden. Während der Bauarbeiten sollen sowohl die Bahngleise als auch das Autobahnviadukt in Betrieb bleiben. Dafür sind umfassende und teure Ingenieurarbeiten nötig.
Gemeinsame Nutzung. Fotos: Nik Egger
Freiraum unter dem Viadukt: Eine neue Quartiersader
Ähnlich steht es um das zweitteuerste Teilprojekt der Stadt, die sogenannte Freiraumgestaltung unter dem Autobahnviadukt. Dort will man den Boden ebenfalls um mehrere Meter herabsetzen. Damit soll das entstehen, was die Verantwortlichen als «Lebensader» des neuen Quartiers bezeichnen: Eine Zone, die Raum bieten soll zum Flanieren, für Kleingewerbe, Freizeit und Sport, für Festivals und frei gestaltbare Flächen.
Der Raum soll das neue Quartier zusammenhalten. Man will das Viertel damit auch durchlässiger machen. Dort, wo derzeit ein «regelrechter Graben» die Stadt zerreisse, soll ein Begegnungsort entstehen. Das sei kein Luxusprojekt, sagte Stadtingenieur Zurbuchen am vergangenen Mittwoch. Im Gegenteil: Die Stadt nehme nur die Anpassungen vor, die nötig seien, damit das Gelände funktioniere. «Das Quartier braucht ein verbindendes und durchlässiges Wegnetz – sonst schaffen wir Unorte, die das Quartierleben blockieren und die öffentliche Sicherheit gefährden», so Zurbuchen.
Noch herrscht in vielen Teilen des Entwicklungsgebiets gähnende Leere. Foto: Nik Egger
Familiengartenanlage: Mehr gemeinschaftliche Nutzung
Ganz ohne Verluste wird es aber auch in dieser Neugestaltung nicht gehen. Das zeigt sich etwa am drittteuersten Projekt im Rahmenkredit: Der Sanierung der Familiengartenanlage. Ein gutes Dutzend der bestehenden Familiengärten müssen zumindest provisorisch weichen, damit die Fläche während der Bauzeit etwa für Zwischenlagerungen genutzt werden kann.
Wie viele danach wieder als Einzelparzellen verfügbar werden, ist noch offen. Klar ist gemäss der Stadt, dass die Gartenflächen auch nach der Neugestaltung von gleich vielen Menschen genutzt werden können. Doch neben den bisherigen Familiengärten werde man auch gemeinschaftliche Nutzungen anstreben. Ein paar Familien werden deshalb wohl auf ihren Garten verzichten müssen.
Zu den grössten Teilprojekten kommen ein paar mittelgrosse, die gemeinsam etwa 30 Millionen Franken ausmachen. Dazu gehört etwa die Unterführung Untermattweg (12,1 Millionen Franken), die ebenfalls saniert und aufgewertet werden soll. Damit sollen in Zukunft deutlich mehr Personen von einem Viertel in das andere gelangen können. Geht es nach Reto Zurbuchen, soll das Untermattquartier trotz der Nähe und Direktverbindung zum neuen, hippen Viertel ein Wohnquartier mit günstigen Mieten bleiben. Wie man das sicherstellen will, ist aber noch offen.
Dazu kommen etwa die neue Mischwasserableitung Aebimatte (8,6 Millionen Franken) oder die Gestaltung des Aussenraums am neuen Campus der Berner Fachhochschule BFH (8,4 Millionen Franken). In diesem Aussenraum soll auch der Stadtbach offengelegt werden.
Nicht im Rahmenkredit enthalten sind verschiedene Teilprojekte, die von Dritten abhängig und in der Planung noch nicht weit genug fortgeschritten sind. Der Kredit wird nun im Stadtrat behandelt. Nimmt das städtische Parlament die Vorlage an, soll die Bevölkerung schon im Juni darüber abstimmen können.